Jürgen Kuhlmann

Der Zölibatssong

Entstanden im Sommer 1963

zur russischen Melodie des Zwölfräuberliedes - in Peulendorf bei Scheßlitz (BA) in einem leergeräumten Pfarrhaus; nur Bett, Stuhl, Tisch und Pflaumenkerne in einem Zimmer

Schlampig das Zimmer und ich allein, schön nenn ich das Leben nicht,
durstig das Herz, alle Sinne schrei'n. Aber kein Friede in Sicht.

Voll sind die Tage, wer weiß womit, leer sind die Nächte, wozu?
Ach, neben mir geht kein lieber Schritt. Hochwürden heißt's, doch nie: du.

Gibt einmal Ruhe das arme Blut, schon sitzt im Aug dir ein Bild.
Herr, Du hast recht: Dein Geschöpf ist gut! Drum eben macht es mich wild.

Bücher und Lieder sind meine Stärk, Eva allein wär das Glück.
Nicht meines Wesens ist fremdes Werk, eigenes kehrt nie zurück.

Wohl ist es wahr, daß ein Freier hehr schon meine Seele gewann.
Nur fällt, die Seele zu spielen, schwer - schlecht steht das Brautkleid dem Mann.

Eva in tausend Gestalten, sag, warum bedrängst du mich so?
Sprich, warum fehlst du mir jeden Tag? Komm endlich, mache mich froh!

[Das Lied ging damals so weiter, das wird jetzt, im Advent 1997,
zum ersten Mal leserlich aufgeschrieben; die viertletzte Strophe war vergessen
und ist erst nach Tagen wieder aufgetaucht, zuerst: »wart ich auf dich«]
:

Schlampig das Zimmer und ich allein, schön nenn ich das Leben nicht,
durstig das Herz, alle Sinne schrei'n - plötzlich ist's still. Und SIE spricht.

*
Bist nicht verlassen, nur blind und taub. Ich, deine Braut, bin bei dir.
Alle die Hübschen vergehn zu Staub. Ich bin dein Leben schon hier.

Eva ist alt und mit Gift geschminkt; die du ersehnst, ich bin jung.
Wer ohne Filter vom Meere trinkt, bitter gar brennt dem die Zung.

Gönne das Filter dem Bruder gern. Ist er vom Salz auch befreit,
bleibt doch dem Himmel sein Meer so fern wie deine trockene Zeit.

Wer Illustrierte liest, der erfährts: Bilder sind keine Arznei.
Schönes Geschöpf spiegelt Glück vors Herz - packst du's, jäh klirrt es entzwei.

Reißt eine Frau dich ins weite Weh? Duld es. Dort wart ich auf dich.
Wenn ich an jenem TAG vor dir steh, geb keinem Feigling ich mich.

*
Königin süße, so sei's fürwahr. Schenk mir nur Treue und Kraft.
Muß ja noch warten manch langes Jahr, bis wirs mitsammen geschafft.

Strahlend Du blühst, während ich verwelk, zittrig und matt wird mein Lauf.
Liegt dann in Asche mein hohl Gebälk, küß mich und heil steh ich auf.

Schlampig das Zimmer und ich allein, schön nenn ich das Leben nicht,
durstig das Herz, alle Sinne schrei'n. Laß sie. Bald sink ich ins Licht.


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