Jürgen Kuhlmann

"Ein anderes Zeichen: Der Drache"

Marias Feind (Offb 12,3-4)
ist minder wirklich als Sie

Böses - von der Tierquälerei des selbst gequälten Jungen über eine ost-westliche Frauenhandelsmafia bis zum millionenfachen Judenmord der Nazis - ist immer wieder grausig real aber von Anfang an nichtig, in sich selber tot. Dem Verstand ist das Geheimnis des Bösen unbegreiflich, mancher religiös geprägte Sinn wird von ihm in Sinnlosigkeit gestürzt ["Am fünfzehnten September vorigen Jahres habe ich die Hinrichtung von zwanzigtausend Juden gesehen - Frauen, Kinder, Greise. An dem Tag habe ich begriffen, dass Gott so etwas nicht hätte zulassen können, und mir wurde klar, dass es Ihn nicht gibt" (Ikonnikow in LEBEN UND SCHICKSAL von W. Grossman, 26).] - nein: in die Entscheidung zwischen Sinnlosigkeit und blindem Glauben.

Wahrer Glaube ist überzeugt: Während tief im real Guten das göttlich GUTE lebt, steckt im real Bösen nichts unendlich Böses. Sein metaphysischer Kern ist leer, wie bei einer tauben Nuss. Der reale Mensch Jesus ist in Wahrheit Christus, der nicht nur symbolische sondern (über)wirkliche SINN in Person - das in allen realen Verkörperungen des Antichrist (von Nero bis Hitler und Stalin) wirksame diabolische Prinzip ist jedoch nur für uns wirklich (solange jemand es fast notwendig wähnen muss), nicht in sich. Entsprechend ist die reale Frau Maria nicht nur symbolisch das Große Zeichen der erlösten Gemeinschaft, vielmehr in wahrer Wirklichkeit SOPHIA selbst, die reine, nie gefallene, von keinem Bösen verderbte Schöpfung in Person, während allen geschichtlichen Darstellungen der bösen Macht solch hart wirklicher Kern mangelt.

Gut und Böse sind keine Polarität sondern verhalten sich wie ALLES und nichts.

Hüten müssen wir uns davor, die beiden Symbole (der himmlischen Frau und des Drachens) allzu glatt auf historische Figuren zu verteilen. Gewiss gibt es klare Fälle. Wenn Nero für seinen Brand Roms die Christen anzünden lässt, wenn Nazirichter Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer zum Tod verurteilen, wenn Oscar Romero am Altar niedergeknallt wird, dann wütet für ein christliches Bewusstsein hier eindeutig das andere gegen das Große Zeichen.

Andere Fronten sind minder scharf. Spanische Linkskatholiken verargen es ihrer römischen Zentrale, dass man zwar viele christliche Bürgerkriegsopfer der Rechten selig sprach aber niemanden, der durch Francos Schergen umkam. Und während wir die japanischen Märtyrer vor vierhundert Jahren ohne Irrtumsgefahr als kostbare Glieder der Heiligen Kirche verehren, scheue ich mich doch, in der damaligen Regierung den bösen Drachen am Werk zu sehen. Wusste die doch, was die Spanier aus den stolzen Reichen der Azteken und Inkas gemacht hatten. Inzwischen gab es schon Hunderttausende japanischer Christen, und täglich wurden es mehr.

Einmal strandete ein spanisches Schiff. "Der Lotse wollte die Japaner beeindrucken und protzte damit, dass die Größe des spanischen Weltreichs sich zum Teil den Missionaren verdanke, die dem Militär des spanischen Königs den Weg bereiteten. Als diese Neuigkeit Hideyoshi erreichte, kochte er neuerdings über und befahl die sofortige Hinrichtung einer Gruppe christlicher Missionare. Und so wurden an einem kalten Wintermorgen 1597 sechsundzwanzig Japaner und Europäer gekreuzigt. Heute steht nicht weit vom Bahnhof Nagasaki ein Denkmal zur Erinnerung an den Ort, wo sie starben" [William Johnston im Vorwort zu SILENCE von Shusaku Endo (Tokyo 1970), 5].


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