Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

Heilige Gischt

Ein spanisches Erlebnis


Genau hier, einen Meter vor dieser Klippe und so nur hier, umfängt mich der Schaum. Das sprüht, perlt, brodelt strahlend weiß, und ich mittendrin. Ein prächtigeres Schaumbad hat keine Hollywoodnixe genossen. Glitzernd den Augen, dröhnend dem Ohr, prickelnd der Haut fällt die Gischt über mich her und hüllt mich ein. Bei starken Wellen heißt es tief atmen und die Luft anhalten, dann ist der Schwall ebenso wild wie zärtlich und reißt mich unter Wasser mit, nur von der Seite her finde ich zurück und wiederhole dankbar die geistliche Übung.

Denn das ist dieses Wellenspiel. Bei Hebräern, Griechen und Römern hat das Wort für "Geist" die sinnliche Grundbedeutung "bewegte Luft"; ruach, pneuma, spiritus heißt Wind, Hauch, Atem. Anders bei den Germanen, sie spürten den Geist anscheinend mehr im brausenden Ineinander von Wasser und Luft: eben in der Gischt. Sagt der Schwabe "Geischt", wird das besonders deutlich. Deshalb erlebe ich mein Schaumbad als eine naturhafte Epiphanie der Heiligen Gischt in Person. Sie, die göttliche Huld, nimmt mich energisch in sich auf, umschmeichelt Leib und Seele, entzückt wie Auge und Haut das innerste Gemüt.

Darf ich also, zum persönlichen Gebrauch, Spiritualität als Gischtlichkeit übersetzen? Nein, das würde einen weiten Begriff allzusehr verengen. Aber eine Spiritualität ist es, das Umgischtetsein als Natursymbol unseres Ergriffenseins von Gottes Heiliger Geistkraft ausdrücklich zu glauben. Auch weil es in unserer Sprache vorwiegend die Gischt heißt. Immerhin hat Jesus, sprach er von der Heiligen Ruach, kraft seiner Muttersprache bestimmt nicht einen gestaltlosen Er, eher eine bergende Sie gemeint.

Heilige göttliche Gischt, umsprühe uns mit deinem Glanz, belebe die erschlafften Glieder, entreiß uns immer neu einem allzu festen Standpunkt. Und stärk uns die Hoffnung, daß dies zeitliche Tosen nicht lügt, wenn es sich als nur schwaches Vorspiel deiner unendlich rauschenden Freude bezeugt, die nach der Zeit sich uns schenkt.

Torrevieja, August 2002

Veröffentlicht in "Christ in der Gegenwart" Nr. 35/2002, S. 287


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