Jürgen Kuhlmann

Ein symbolischer Schritt

Das Jüngste ist flügge, irgendwann heute früh ist die Party verebbt. Seltsam, ich fühle ähnlich wie vor achtzehn Jahren. Sie ist da! hieß es damals. Jetzt gilt sie als erwachsen. Wie der Mutterschoß, hat der Familienschoß seine Aufgabe erfüllt.

Stimmt dies Gefühl aber? Recht bedacht, ändert sich doch kaum etwas. Daß sie ihre Entschuldigungen selbst unterschreiben wird, macht keinen riesigen Unterschied. Auch bisher hatte ich ihr oft versichert: "Du bist ein freies Kind in einem freien Land." Wie lange, anderseits, Eltern für ihren Nachwuchs mit verantwortlich bleiben, ist Müttern und Vätern bewußt. Was ist wahr an meinem Neuheitsgefühl?

Vielleicht läßt es sich so erklären: Die Party war ein "rite de passage", eine Übergangsfeier, wie sie seit grauer Vorzeit jede Kultur kennt. Beim Geburtstagskuß um Mitternacht durfte ich sinnlich-spürbar vernehmen: Wie schön, auch dank dir bin ich ein freies Selbst geworden. Und selbst habe ich dabei erlebt (was ich erst im Nachhinein begreife): Dank Dir, daß DU auch durch mich dieses neue Organ an Deinem Schöpfungsleib hast wachsen lassen, ein ewig gleichberechtigtes Reblein am Weinstock des Heils: Bitte laß es weiterhin gesunde Trauben bringen!

Ähnlich wie an Neujahr (wo sich noch weniger ändert) meint mein heutiges Neu-Gefühl in Wahrheit also gar nicht den Wechsel der Zeiten, der ist vielmehr Symbol des ganz anderen Übergangs: des unendlichen Sprungs vom Nichts zum Ewigsein. Der geschieht zwar in jedem Augenblick, wird uns aber an bestimmten Brennpunkten deutlicher, einer davon ist die Volljährigkeit eines jungen Menschen.

Gott mit dir, liebe Quintula, und werde täglich, die du DANN bist.

1. September 2000

Volle Internet-Adresse dieser Seite: http://www.stereo-denken.de/iris_18.htm

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Siehe auch des Verfassers Predigtkorb auf dem katholischen Server www.kath.de

sowie seinen neuen (seit Ende 2000) Internet-Auftritt Stereo-Denken
samt Geschichte dieses Begriffs und lustigem Stereo-Portrait

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