Wilhelm Klein SJ

Glaube und Geschichte

Exerzitien-Gedanken

vor einer Gruppe von Altgermanikern in Bonn, September 1967. Aus einem lückenhaften (...) Stenogramm im März 2002 abgetippt von Jürgen Kuhlmann

Zum Fest "Mariae Geburt" (8. Sept.)

"Der Herr besaß mich ... Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt ..." Ist denn hier, die da spricht, die das von sich sagt, ist sie - jetzt und hier - hier? Und sind wir bei ihr? An ihrem Geburtstag und jeden Tag - ist ihr Geburtstag nicht unser Geburtstag? ... Jetzt haben wir Frieden mit Gott. Denn haben sollen wir ihn heute mittag noch mehr als heute [morgen], übermorgen noch mehr als heute, und immer mehr. Ewiges Leben: immer neu aufgehendes Leben, das ist die wörtliche Übersetzung. Immer Morgenröte, immer Aufgang.

Wer ist dieser Ich? Das reine Geschöpf, ganz offenbar, das Geschöpf, das von der Welt der Menschenkinder verschieden ist, das Geschöpf, in dem alles geschaffen ist, was geschaffen ist. Wer ist das? Nun, wir sind natürlich zunächst versucht zu sagen, das ist Jesus Christus, unser Herr. Aber dann sagen wir uns wieder: Nein, es ist ja von einem Geschöpf die Rede, ganz klar, hier und an anderen Stellen, in den ganzen Weisheitsbüchern. Es ist von einem Geschöpf die Rede, aber unser Erlöser und Herr Jesus Christus ist kein Geschöpf. Dieser articulus beim hl. Thomas in dem Abschnitt [S.Th. III q16 a8] ... gehört sicher zum Klarsten und Entscheidendsten, was der große Thomas von Aquin gesagt hat: Nein, unter keinen Umständen, Christus ist kein Geschöpf. Wir sind nicht durch ein Geschöpf erlöst. Wir sind geschaffen durch den Schöpfer und vom Schöpfer abgefallen und nur der Schöpfer kann uns wieder in Gnaden aufnehmen, kein Geschöpf kann das leisten.

Also: Es ist nicht von Christus die Rede in den Weisheitsbüchern. Sondern vom reinen Geschöpf. Das ist freilich ganz mit unserm Herrn Jesus Christus verbunden, denn dieses reine Geschöpf ist ja nur geschaffen, damit er, Gott selber, Gottes unendlicher Sohn, dem Vater gleich von Ewigkeit zu Ewigkeit, in diesem Geschöpf, in uns, in unsere gefallene, geschöpfliche Welt hineinginge und darin bleibe und immer darin sei. Und so von Anfang an. Die Schöpfung ist nicht in der Geschichte. Sie ist nicht ein geschichtliches Ereignis. Sie ist im Fall. In der Ursünde und Erbsünde und in jeder persönlichen Sünde fällt sie in die Welt. Und da ist Geschichtlichkeit, und da ist auch Individualität, da ist jetzt einer individuus in se, wie er von sich sagt, und getrennt von jedem anderen, unzertrennt in sich und getrennt von jedem anderen, da ist die gefallene Schöpfung, die zerteilte Schöpfung. Das Wort Zeit, vom griechischen Wort schizein, trennen. Da ist die zerteilte und zerraumte, voneinander getrennte Vielheit. Im einen Geschöpf, da ist die unendliche Einheit des dreieinigen Gottes widergespiegelt, im einen Geschöpf ist das Ebenbild Gottes. In diesem Ebenbild Gottes, weil es aber geschaffenes Ebenbild Gottes ist, da ist die Möglichkeit und Wirklichkeit gegeben, daß nun der Widersprecher - dem Schöpfer widersprechend, wie das auch die Philosophie in ihren Ausdrücken sagt - jetzt versucht, formend aus der Macht der Materie herauszuführen. Und das sind nun diese Atome, diese Individuen, die herausgeführt werden, dauernd versucht werden, denn wir sind versuchte Schöpfung, das ist dasselbe wie gefallene Schöpfung, in den Fall versucht immerfort.

Was ist die Erlösung? Daß der Schöpfer in [sic!] unsere Individualität, ich für mich und getrennt ... [kommt und uns ?] zurückführt in den einen Schoß des reinen Geschöpfes, das oft in der Bibel in der Gestalt der Mutter, der gebärenden und hoffenden Frau dargestellt ist. Diese Gemeinschaft, die auch im Alten Testament und Neuen Testament den Ausdruck hat: Herrengemeinschaft, Gemeinschaft des Herrn, griechisch kyriaké, Kirche. Womit wir sofort sehen: Das ist nicht etwas anderes. Die Kirche ist dieselbe Gestalt wie diese Gestalt, die hier etwa im Buch der Sprüche am Fest Mariae Geburt dargestellt wird. Ist heute auch Kirchengeburt? Selbstverständlich. Mariengeburt, Kirchengeburt. Ist das dasselbe? Ist Maria die Kirche? Jetzt taucht sofort das bloß geschichtliche Bild etwa der Darstellung des NT auf. Oder, wie ich es nennen würde, die nestorianische Mutter Gottes. Eine monophysitische gibt es nicht, weil bei denen ja das menschliche Wesen, das Kommen des Schöpfers in die Schöpfung verflüchtigt wurde, das ist ganz aufgesogen in die Gottheit. Die Kirche hat beide Irrtümer verurteilt. Die Monophysiten, die das ganze Menschliche verflüchtigen, und Nestorius, der sagte: Ich kann mir nichts mehr vorstellen unter einem unter uns gegenwärtigen erlösenden Gott, wenn ich ihn nicht auch so als menschliches Individuum, als so einen "hic" mir vorstelle, wie hier meinen Nachbarn. Ich kann ihn mir nicht anders vorstellen. Ich werde mir dann bewußt: Jeder ist ein Dieser. Welcher Dieser? Dann muß ich mit dem Finger auf ihn hingehen. Dann bin ich wieder rein im Vergänglichen. Mit einem sterbenden Finger zeige ich auf etwas Sterbendes. Aber der, auf den ich da hinzeige, ist ja Gott selber ... Nestorius sagt immer wieder: Aber die Bibel spricht doch so über ihn, daß ich gar nicht anders lesen kann als dieses bestimmte, geschichtliche Individuum.

Auch über Maria. Selbstverständlich. "Der Herr hat mich besessen": geschichtliche Zeitform. "Da waren noch nicht ..." Auch die Schöpfung ist geschichtlich dargestellt. Nie sprechen wir anders als geschichtlich, als in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und von daher sollte uns, wenn wir jetzt die Wahrheit der Menschwerdung Gottes in Maria bedenken, aufgehen, wie unser Sprechen, all unser Sprechen, unser biblisches Sprechen nicht ausgenommen, und unser auf dem biblischen fußendes Traditionssprechen, Überlieferungssprechen, auch das Sprechen der leitenden Menschen in der Kirche, all dieses Sprechen ist eben menschliches Sprechen und bleibt menschliches Sprechen: Bibel, Überlieferung, Dogmen, Päpste, Bischöfe, unser Sprechen auf der Kanzel, das Sprechen unserer Seelsorgsanbefohlenen mit uns, all dieses Sprechen ist menschen, kleingeschrieben: Ich mensche, du menschst, er menscht. Und wir lernen durch dieses Sprechen hindurch zur Wahrheit zu gehen, im Glauben, Hoffen und Lieben. Wobei uns bloße menschliche Mittel nicht entscheidend helfen können, die sind nur Durchgang, daß wir etwa philologisch oder mit anderen -logien unser Legein durchforschen, also mit den Sprechwissenschaften aller Art unser Sprechen durchforschen. Das kann uns ein Praeludium sein, ein Vorspiel zur Wahrheit. Aber immer sind wir versucht, dieses Vorspiel für das Eigentliche zu nehmen, das Bild, das Gleichnis, den Ausdruck, das Aussprechen mit der Wahrheit einfachhin gleichzusetzen. Eine gefährliche Versuchung, und es könnte uns so ein Schrifttext, den wir an den Mutter-Gottes-Festen immer vorlesen, einmal unseren Gläubigen und damit auch uns selber immer wieder zu sagen: Ja siehst du hier, wie du mit deinem Sprechen jetzt an etwas an sich Unaussprechliches herangehst? Es geht ja immer um Gottes Menschwerdung, um den Gottmenschen, nie wird der Mensch imstande sein, mit seinem menschlichen Sprechen heranzukommen. So ein Ringen mit der Sprache haben wir etwa in diesen Kapiteln des Römerbriefs ...

Die marianische Sprache, meine eigentliche Muttersprache. Da ist diese Sprache, aber sie spricht in mir in unausgesprochenen Seufzern. Ich habe die Paradiesessprache verloren, aber die ist nicht vernichtet. Und sie kann gar nicht vernichtet werden, weil sie die Unvernichtbarkeit des Schöpfers abbildet. Das ewige Wort Gottes selber. Hier ist der reine Spiegel des Lebens, der Freude, er kann nicht zerstört werden. Der Versucher bringt ihr keine Makel bei, dieser reinen Gestalt der Schöpferliebe Gottes. Unmöglich. Und auch jetzt in den unglücklichen Kindern Evas, in denen also nun die Trennung, die Abspaltung dem sog. Fürsten dieser Welt scheinbar gelungen ist. Er hat sie für die Sicht der Welt losgetrennt aus dem Mutterschoß, sie sind nach Augustinus wie Vöglein, die aus dem Nest herausgefallen sind und noch nicht fliegen können. Jetzt kommt der liebe Gott selber und hebt diese kleinen Vögel wieder ins Nest zurück. Aber in der Wahrheit da ist es so. Wir werden in Gnaden wieder angenommen. Rausgefallen aus dem Schoß. Wieder zurückkehren in den Schoß der Mutter. Genau das, was Nikodemus für unmöglich hält: Ich kann doch nicht in den Schoß der Mutter zurück. Du mußt es im Geist verstehen. Es könnte jedes Mutter-Gottes-Fest, Gott sei Dank, daß es sie noch gibt, wenn sie auch nicht mehr gebotene Feiertage sind. Die Bauern, unter denen wir unsere Ferien verbracht haben: La Madonna. 15. August und 8. September. Und die Madonna bringt auch die Trauben zur Reife. Wenn man im August kam: Nach der Madonna.

Wenn wir dann das scheinbar langweilige Evangelium vorlesen. Genau so wichtig wie Joh 1,1. Stammtafel Jesu Christi. Jetzt hören wir den Apostel reden: Das ist allegorisch geschrieben. Ja das ist doch geschichtlich! Da war ein Mann namens Abraham ... Und so geht das weiter ... Und jetzt kommt Paulus und sagt: Das ist Allegorie. Da wird etwas in menschlicher Sprache, in geschichtlicher Darstellung gesagt, was eigentlich unsagbar ist: die Menschwerdung Gottes. Es wird etwas gesprochen, was unaussprechlich ist. Aber wir sprechen weil wir Menschen sind. Wir menschen weil wir Menschen sind. Und zu einer Gemeinschaft gehören, in der man sprechen muß. Wehe mir, wenn ich nicht darüber spreche. Aber dein Sprechen ist zerbrechlich, du versprichst dich in deinem Sprechen und versagst in deinem Sagen. Ja. Das bin ich mir bewußt. Und so werde ich immer in Demut und Ehrfurcht an das Sprechen über diese Wahrheit herangehen und werde, soweit ich das mit der Gnade Gottes kann, mich nie in diese Versuchung fallen lassen, in diesem Sprechen so zu diskutieren, wie die Welt in mir mit der Welt im Mitmenschen diskutiert, um ihn zu erledigen, um ihm zu sagen: Dein Sprechen trennt dich von mir, du bist ein Häretiker. Wir sind das in einem gewissen Sinn, natürlich: In jedem Moment wo ich spreche "ich und du", vollziehe ich auch eine Trennung, und die Überwindung dieser Trennung geschieht nur in der Gnade der Erlösung, aber diese Gnade der Erlösung kann ich nicht so begreifen und kann sie auch nicht so aussprechen wie die Trennung, wie die Welt in mir, wie die Sünde in mir, die habe ich sozusagen in der Hand, ja, mit der kann ich hantieren, mit meinem Menschen, mit meinem Sprechen usw. Mit der erlösenden, überströmenden Gnade des verzeihenden Schöpfers kann ich nicht so umgehen, die steht mir nicht zur Verfügung. Ich stehe ihm zur Verfügung, ich lasse ihn in mir sprechen. Im 8. Kapitel sagt er: Dieses reine Geschöpf spricht in mir. Er nennt es dort ... Einer der tausend Ausdrücke. Aber keins von allen kann dich schildern. Darum haben wir die vielen Bilder. Und dort ist diese Gestalt genannt Pneuma, Geist. Und sie wird auch genannt Charis, Gnade. Und sie wird auch genannt Gerechtigkeit, Liebe und Leben. Und tausend andere Namen und Bilder, und keiner kann sie schildern, wie der Gläubige, all diese Bilder überwindend, sie sieht, und dies Sehen auch nicht im geschichtlichen weltlichen Sinn gemeint ... Und das ist die Zuversicht dieses gläubigen Menschen, der den Römerbrief geschrieben hat: wo er, der armselige Nachkomme Adams, Saul, da wo er versagt und so vor seinem Schöpfer mit nichts in den Händen und im Munde stände, da spricht sie in uns. Es geht uns nicht selten so wie diesem Verfasser des Römerbriefs. Wir sagen und hören oft von unseren Mitmenschen: Ich kann nicht beten. Es ist mir alles so äußerlich, ich persolviere mein Brevier, ich lese die Messe, aber beten, daß es ein Gespräch mit dem in mir lebenden Gott wäre, daß Gott in mir so spricht, durch mich zu sich - dann, ah, sagt Paulus, habe ich diese selige Hoffnung in mir, diese Gestalt, dieses Pneuma, diesen Geist, der betet in mir. Ja was sagt er denn? Unaussprechliche Seufzer. Oder an jener anderen Stelle: Er sei im Paradies gewesen. Was hast du denn da gehört? Rhemata arrheta. Ungeredete Rede, ungesprochenes Sprechen. Es ist dasselbe. Unausgesprochene Seufzer. Wir befinden uns im Unaussprechlichen. Und natürlich auch die Übersetzer. Wie oft fühlen wir das förmlich heraus, wenn wir die Übersetzung der Orationen, die oft heillos ist ... Den lateinischen Text kennen wir und jetzt müssen wir mit dem Volk das beten: das ist gar nicht das. Es geht letztlich immer um Unaussprechliches ... Da sind Wörtchen dazugeflickt. Wie oft ist das Wörtchen "dereinst" hineingeflickt. Nicht etwa jetzt! Wir sind auferstanden, wir sind vom Tod zum Leben übergegangen. Das hat also ein vorsichtiger Übersetzer hineingesetzt, damit wir nur ja nicht auf den Gedanken kommen, daß die Auferstehung des Herrn in uns täglich lebendig ist. Und der alte lateinische Text hat das gar nicht. Das Gesetz kann uns verpflichten. Hier kann die Liebe uns verpflichten. Ich halte mich daran. Diese Laien sind oft viel schlauer und wissen genau, was die Bischöfe vorgeschrieben haben, die lesen nicht nur die Kirchenzeitung, wo das ja sehr oft abgedruckt wird. Und sagen dann: Da haben wir's wieder, das ist ja gräßlich mit diesen Geistlichen. Und dann schreiben sie dem Bischof. Der Bischof denkt sich vielleicht: Ich würde es ja auch so gemacht haben, aber da ist das Gesetz. Das Gesetz. Und da sind wir im täglichen [?] mit diesen Übersetzungen. Haarsträubend. Die Texte, die wir jetzt lesen müssen. Und dann sehe ich die Männer, die das gemacht haben, und sehe ihre besorgten Mienen, wie sie das lang überlegt haben, dann vergleiche ich auch die frühere Übersetzung vom Schott und die neue vom Schott. Wo aber gesagt wird, die haben das aus dem belgischen Schott übersetzt, der jetzige hält sich an das belgische Meßbuch. Auf solchen Umwegen kriegen wir das mit diesen Verschlimmbesserungen. Da müssen wir uns auf manches gefaßt machen, was noch schlimmer ist. Dann sehnt sich mancher wider zurück zum Lateinischen. Irgendwie sind die lateinischen ehrlicher. Sie haben noch nicht die in dieser modernen Weise gelöste Problematik in ihre Texte hinein ... Sprechen. Wir sollten uns oft Gedanken machen und auch sprechen mit unseren Leuten über das Sprechen, damit wir nicht so einfach drauf los sprechen und meinen, mit dem Sprechen sei es getan, das Sprechen sei nun klipp und klar, wenigstens wenn wir einen berühmten Mann vor uns haben, einen Meister der Sprache. Eindeutig, da weiß man, wo man dran ist. So, und nicht so. Da ist es oft am schlimmsten. Und wenn ich bei einem Verfasser sehr oft dann das Wort eindeutig höre. Dann: Um Gottes willen, was wird jetzt kommen! Und dann kommt es. Klipp und klar, wenigstens klipp.

Motto: Nach dem Konzil kann man nichts mehr falsch machen. Die Wirrnis, die jetzt entsteht, ist gut insofern sie zeigt: In der Bilderwelt gibt es die Vielheit, und die Widersprechendheit. So ist es auch bei den Evangelien. Die ganze Liturgie bewegt sich im Gleichnis, im Spiel, im Schatten und Gleichnis. Unser Glaube ist nicht am Hin und Her ... Glaube, Hoffnung und Liebe sind nicht zweideutig. Aber ihr Ausdruck ist vieldeutig. Zweideutig: im Sinn der Welt und im Sinn des Glaubens. Aber im Sinn der Welt wird aus zweideutig tausenddeutig, milliondeutig, vieldeutig.

In Geduld tragen. Es ist Menschenwerk. Erst recht die der Übersetzer. Und dann die der Auswähler in der Liturgie. Das werden wir auch erleben. Diese Auswahl kommt uns manchmal vor als schlechter als die bisherige Auswahl. Waren nicht die bisherigen Evangelien und Episteln doch sehr gut? Die Männer der Kirche, die verantwortlich sind oder sich verantwortlich machen, sich für verantwortlich halten oder sich alleinverantwortlich gebärden obwohl sie es nicht sind. Denen nicht unmutig die Faust entgegenstrecken. Das ist gegen die Liebe. Hier kommt das höchste Gesetz. Entspricht das, was ich jetzt tue, indem ich mich über dieses oder jenes Gebot hinwegsetze, entspricht das der Liebe? Es ist rot, und an dem Tag ist die Ampel so langsam. Aber ich gehe rüber. Aber tatsächlich taucht jetzt eine Dame auf: Aber Herr Pastor, es ist doch rot. Ich muß mich auch danach umschauen, nicht bloß nach den Autos, sondern auch nach denen, denen ich zu tragen gebe, was sie nicht tragen können. Nell-Breuning: Weit und breit kein Auto, kein Nichts zu sehen, er geht rüber, und da steht tatsächlich ein Polizist da. Sie sind ein Verkehrshindernis! Das einzige Verkehrshindernis, das ich hier sehe, sind Sie.

Wir sind Menschen. Es ist besser, wenn wir nicht immer so gekennzeichnet sind. Ich erinnere mich im Germanikum: Professor Haag kam ins Kolleg, mit einer schwarzen Krawatte. Da sagte der Pater Rektor: Ich hätte ihn am liebsten rausgeschmissen. Wir sind ja als Germaniker ein bißchen verschrien, daß wir in dieses Horn blasen ...

Ich habe diese Modernistenzeit mitgemacht. Es ist heute wieder auf dem Wege dazu, aber doch lange nicht so schlimm. Es war eine ekelhafte Zeit. Es waren überall Agenten. Und immer wurde dann gesagt: Das ist ein Modernist. Der damalige Kardinal von Köln war Modernist. Es war eine schreckliche Atmosphäre. Unser Rektor im Germanikum war Modernist. Der damalige Jesuitengeneral war Modernist. Pius X. hatte fast vor, ihn zum Kardinal zu machen und abzusetzen. Sie sind in derselben Nacht gestorben. Als beim Heiligsprechungsprozeß Pius X. diese Dinge vorgelegt wurden als Gravamina gegen seine Heiligsprechung, da hat der Pater von Hertling gesagt: Ich kann nicht darüber wegsehen, das ist ein Hemmnis. Der Mensch ist ein Heiliger, aber kanonisieren? Nein. Und da hat Pius XII. entschieden: Es ist kein Hemmnis. Diese Sachen, die sind Politik, die haben mit seiner Person nichts zu tun. Darauf ist der Pater von Hertling aus der Kommission und aus der Ritenkongregation ausgeschieden bis zum heutigen Tag, ist dann auch noch ein Jahr oder drei in Rom geblieben. Er ist freiwillig ausgeschieden. Man hat es ihm sehr übelgenommen von allen Seiten. Er ist eine ehrliche Haut. Er hat einen Satz in seiner Kirchengeschichte drin, die ist aber wohlgemerkt geschrieben vor der Wahl [von Papst] Paul: Die Päpste mit der Nummer sechs, die haben in der Kirche im allgemeinen viel Unheil gestiftet.

Da zeigt sich der Unterschied zwischen der Kirche und der kirchlichen Institution. Die Kirche ist unfehlbar. Aber der Ausdruck der Kirche, die Institution ...

Ignatius war ein Mensch wie wir ... Ignatius ist wirklich ein bedeutender Mann, er ist ein Anfänger, ein über Jahrhunderte wirkender Mann. Aber er ist ein Mensch. Er ist nicht Gott, er ist nicht Christus. Er ist sich dessen auch so bewußt. Er wollte auch nicht General der Jesuiten werden, aber hat es dann angenommen. [L. Marcuse] trennt Ignatius von den Ignatianern, wo Ignatius Institution wird. Das ist das Schicksal alles Menschlichen.

Viele sind versucht, die Leute naiv zu halten, um ihre Predigten weiter halten zu können. Eine Zeitlang habe ich euch Milch gegeben, aber ihr müßt wachsen, ihr müßt die feste Speise ertragen lernen. Die Menschen werden mündiger. Dazu hat vieles zusammen beigetragen, daß das nun so schnell kommt und nicht mehr in der gemütlichen Art, eines nach dem andern. Und wenn wir sagen: Die Kirche muß solange wie möglich die Menschen in einer naiven Unmündigkeit halten, die Bischöfe ihre Geistlichen, die Geistlichen ihre Seelsorgsanempfohlenen, die Eltern ihre Kinder, wo kommen wir da hin! Und immer steht dahinter eine Angst: Sonst, wer weiß was passiert? ... Daß die Aufklärung in Liebe geschieht, daß ich von Fall zu Fall sehe, was kann er schon tragen. Ich werde dem Kind ja nicht von einem Tag auf den andern nach der Milch ein großes Kotelett vorsetzen, die Mutter erzieht es langsam und gewöhnt es langsam ab von ihrer Brust. Wenn wir aber uns wehren dagegen, grundsätzlich uns wehren und gar nicht darauf eingehen - wir müssen dann überlegen: was sage ich in der Predigt und was sage ich nicht? Wir werden auch Fehler machen und aus diesen Fehlern lernen. Aber jetzt einfach sagen: Gibt's nicht für mich - ? Es ist unglaublich, in welchem Maß die Geistlichen nicht aufgeklärt sind. Die Liebe fordert sehr viel von jedem Geistlichen, zu überlegen. Und mancher wird darum auch manches Gute ... überlassen. "Ich hätte euch noch vieles zu sagen. Aber ihr könnt es noch nicht tragen. Der heilige Geist aber, der wird euch in alle Wahrheit einführen." / "Ich habe euch alles gesagt." - Wie geht das zusammen? Äußerlich ein Widerspruch. Aber was will gesagt sein? Ihr könnt es nicht alles zusammen und ohne Einführung, Vorbereitung, und ohne die Gemeinschaft, wo der hl. Geist euch helfen wird, es langsam, langsam verstehen lernen. Du bist doch der allmächtige Gott? Aber der Mensch Gewordene, der unter Menschen steht. Man darf auch seinen Pastor einmal fragen ...

Nie einfach sagen: Mit dem ist überhaupt nichts zu machen. Es kann sein, heute nicht, und morgen nicht. Nie einen Menschen abschreiben. Dann dran denken: Ich bin selber so. Und wenn man mir damals das und das gesagt hätte, dann wäre ich auch ... Warum soll ich nicht dem Mitmenschen zubilligen, daß er sich ändern kann? Das ist eine schwere Häresie, daß wir eigentlich im Grunde sagten: der Mensch ändert sich nicht. Kennst du den? Der Mensch ändert sich nicht. Wir waren zusammen in der Schule. Wir beten jeden Tag: Gott, ändere uns. Kehre uns um. Der Mensch ist nicht wie er ist. Du bist stur, nicht der andere. Die Versuchlichkeit ist eigentlich die Menschlichkeit. Daß wir durch und durch versuchte Wesen sind. Wir sind eigentlich nicht. Es probiert einer dauernd an uns, uns zu machen. Essays Gottes. Wir sind wirklich, möglich, machlich. Das ist unser dauernd gefährdetes Dasein. Und tausendmal verfallen wir dieser Versuchung, aber immerfort ist, wo überfließt das Böse in uns, da ... Nie haben wir einen Anlaß, am Mitmenschen zu verzweifeln. Wir sagen manchmal: Das ist der Teufel in Person, das ist aber nicht wahr. Er mag noch so sehr von teuflischen Einflüssen beherrscht sein. Und wo überfließt das Teuflische, da überfließt die Gnade. Immer Jesus Christus unser Herr. Theologie, Humanologie. Ein persönliches Verhältnis zu Gott muß ich haben.

Es geht nicht nur um das biblische Sprechen, sondern um das menschliche Sprechen überhaupt. Auch die Bibel spricht menschlich. Da sprechen Menschen zu Menschen in menschlicher Sprache. Könnten sie denn anders? Nein. Könnte das Evangelium von einem Ungläubigen geschrieben sein? Es gibt Unterschiede im zweideutigen Sprechen. Es gibt Stufen. Es gibt Schuld dabei, daß ich es nicht besser sage. Man kann es verständlicher sagen, und noch mehr. Daß ich es nicht tue, darin kann eine persönliche Schuld enthalten sein. Gebe ich mir dadurch eine Blöße? Ja, freilich gebe ich mir dadurch eine Blöße, wenn ich jetzt etwas anderes sage als vor zehn Jahren.

Etwas in mir ist unberührt von der Ursünde. Ja, das reine Geschöpf. Und ist das in mir? Ja, Gott sei Dank. Und das ist nicht so ein Individuum.

Was bedeutet es, wenn die Kirche einen Menschen heilig schreibt? Die Kirche schreibt ihren Kindern vor, sie dürfen nicht sagen, Pius X. ist dem Teufel verfallen auf immer und ewig. Ja. Warum nicht? Du mußt aus der Liebe zu deinen Mitmenschen, denen diese Gestalt teuer ist, dich besonders hüten. Johanna von Orleans. Könnte Luther heiliggesprochen werden? ... Das, was die Bibel Teufel nennt, ist diese Gestalt, die ausdrückt: Ich diene nicht, ich bin Gott selber.

Eine Gemeinschaft soll zu der anderen hingehen. Es geht immer um Freude. Froh sein und froh machen, das ist der Christ. Das Letzte, das Eigentliche, was er seinen Mitmenschen zu sagen hat, ist: Freut euch, seid froh. Der Herr ist nahe, ja er ist Gott in uns. Und darum gar keine Sorgen. Aber wir werden immer auf Sorgen treffen in unserer Seelsorge. Du mußt froh machen, indem du die Sorge des andern auf dich nimmst und ihn durch dein Beispiel und Wort dahin bringst, daß er alles annimmt. Unsere Predigten sollten nie anders sein als Frohbotschaft. Wenn du auf die Kanzel gehst, sei dir immer bewußt, ich komme als Künder der Freude. Statt Freude können wir auch sagen: Liebe. Ich bringe die Liebe. Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm. Schließlich muß jede Predigt ausmünden in das "Kindlein liebet einander". Sonst nichts? Nein. Wenn das geschieht, ist das genug. Wenn ich aus diesen Exerzitien nur den einen Satz mitnehme, ich will Freude verkünden, froh sein und froh machen und will in der Nächstenliebe das betätigen. Gott ist Licht, und Finsternis ist in ihm keine Spur. Wenn wir Christen sind, sind wir Lichtmänner und Lichtfrauen, keine Dunkelmänner. Es drängen sich an uns Probleme heran. Im Licht Gottes ist kein Problem, das mich ängstlich macht, vor dem ich zurückschaudere, sondern durch jedes sog. Problem leuchtet das Ewige Licht Gottes des Schöpfers und das geschaffene Licht, von dem wir heute am Geburtstag unserer Mutter hören, lesen, betrachten. Es werde Licht! Es werde die Schöpfung. Und es ward Licht. Wenn Gott der Schöpfer Licht ist, ist auch sein Geschöpf, wie Gott es will, wie Gott es liebt, ist Licht, makelloses Licht. Ist die Kirche Geschöpf? Ja, die Kirche ist Geschöpf. Aber das reine Geschöpf. Das nie vergehende Geschöpf. Es gibt Gestalten der Kirche, Figuren ihrer in der gefallenen Schöpfung, das ist klar. Die Gestalt der Kirche jetzt. Das reine Geschöpf ist die Königin der Kirche, das Licht, die Herrlichkeit der Kirche. Doch ist hier die Identität zwischen dem reinen Geschöpf und der Kirche. Sie ist die Mutter. Wir haben nicht zwei Mütter, die Mutter des Herrn und die Kirche, sondern das ist die eine, in der wir, in deren Schoß wir wiedergeboren werden, wieder hineinversetzt werden, um so als Kinder unserer Mutter, der geschaffenen, Kinder des Schöpfervaters zu werden, Geschwister Jesu Christi.

Röm 14 spricht von Schwachen und Starken. Es geht zB darum, ob man gewisse Speisen essen soll oder nicht. Und dahinter stehen die anderen Fragen, die im Lauf der Jahrhunderte aufgetaucht sind: Entscheidend ist immer die Liebe. Hier heißt sie: Rücksicht auf den anderen nehmen. Das ist nicht dein Knecht, er steht nicht unter deiner Gerichtsbarkeit. Er steht und fällt seinem Herrn. Ein jeder sei in seinem Geist. Es kann ruhig Verschiedenheiten geben. Die Menschen sind ja verschieden, warum nicht auch in ihren Stellungnahmen zu solchen Fragen? Wenn die Liebe dich leitet, dann sündigst du nicht. Paulus würde wohl ein bloßes Gewohnheitschristentum als Sünde bezeichnen.

Ich kann euch keinen besseren Rat geben als: in all eurer Seelsorge, in der Schule, im Beichtstuhl, haltet euch an die Bibel. Und habt keine Angst, daß auf diese Weise etwa wichtige Fragen nicht drankämen.

Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten, also auch Meinungsverschiedenheiten, auch solche, wo man versucht ist, den andern zu verketzern und zu sagen: das geht zu weit, hier beginnt Häresie ... Es ist auch meine Erfahrung, auch wenn ich es nicht aus der Bibel wüßte, daß wenn man in der Liebe vorgeht, daß man dabei vorankommt. Auch daß Menschen, Christen, gute Menschen, die etwa gestern noch sagten: Lieber würde ich mich umbringen lassen als etwa diese Ansicht anzunehmen ... Was ist da passiert? Nicht ein Mensch hat es einem andern gegeben. Nicht Fleisch und Blut haben es dir geoffenbart, sondern mein Vater der im Himmel ist. Gott spricht uns dauernd an. Es ist so, wie wenn er auf allen Sendern spräche, aber wir stellen nicht immer an. Wir leben in ihm, bewegen uns in ihm. Er ist unser Ein und Alles. Und er ist immerfort im Sprechen bei uns. Auch wenn wir mit irgendeiner Sache beschäftigt sind. Oder mit einem Menschen im Gespräch oder mit Kindern, oder beim Ausflug oder am Krankenbett. Wir hören ihn durch unsere Mitmenschen. Was die uns bringen an Klagen, an Vorwürfen, an Lob, an Tadel, an Bitten, das ist alles der bittende Gott. Was wir dem dann tun, tun wir Ihm. Gott ist nicht fern von jedem einzelnen aus uns. Es ist nicht so wie wir's uns vorstellen: Gott weit weg im Himmel, auf einem Thron, Engel, und immer nur heilig heilig heilig singen den ganzen Tag. Es sind Vorstellungen, Bilder. Und Gott der Mensch Gewordene, ja ist denn der auch - können wir von dem sagen: In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir? Ja. Gerade so wohnt Gott in uns, in seiner Menschwerdung. Er ist uns nicht nur nahe, er ist in uns. Ich lebe, aber nicht ich, sondern Gott lebt in mir. Wir drücken das gut aus im Bild des reinen Geschöpfes, das in uns lebt und in uns auch den Gottesdienst vollzieht. Denn dieses Geschöpf ist ganz Dienst Gottes. Es nennt sich selbst Dienerin des Herrn. Es kann gar nicht anders als Gott dienen. Ganz jungfräulich dem Bräutigam, dem göttlichen, hingegeben. Das ist unsere Hoffnung. Und in der katholischen Kirche beten wir zu dieser Gestalt: Du unser Leben, unsere Freude, unsere Hoffnung, sei gegrüßt. Ist das denn nicht doch ein Götzendienst? Nein, denn der gläubig betende Mensch ist sich wohl bewußt, daß es hier geht, wenn er das zu einem Geschöpf sagt, um das geschaffene Leben, die geschaffene Hoffnung, die geschaffene Freude. Aber jetzt die wahre, wirkliche, echte, wie Gott der Schöpfer sie will. Und nicht, wie die Menschen versucht sind, sie zu stören und sie zu verweltlichen, herunter zu ziehen.

Du sollst beten, daß Altes und Neues ineinander gehen. Das Alte ist das Neue, und das Neue ist das Alte, aber der alte Ausdruck ist am Vergehen. Wir leben in einer Zeit, wo das Alte in seiner Gebrechlichkeit immer mehr sichtbar wird und das Neue noch nicht und sicher noch nicht ganz da ist. Das ist eine Umbruchszeit, die in einem gewissen Sinn immer ist, aber es gab sicher in der Vergangenheit Zeiten, wo das mehr war als in anderen Zeiten. Die sog. ruhigen Zeiten waren aber nicht die besten Zeiten. Vielen kommt es so vor, als ob heute der Umbruch so tief sei wie noch nie, seit wir überhaupt Geschichte überschauen können. Wenn wir auch über Tausende von Jahren wegschauen, kommt uns vor, daß einmal in einer vielleicht noch viel späteren Zeit alles, was bis zu dieser Zeit war, Altertum genannt wird, und da ein Umbruch eintritt. Das ist nun kein anderes Umbrechen als etwa die Entstehung des Neuen Testaments mit den neutestamentlichen Gestaltungen des Glaubens an die Menschwerdung und Erlösung Gottes, aber es ist dieser Umbruch in neuer Gestalt. Der Umbruch, den die Menschen vor zweitausend Jahren durchmachten, das scheint sich heute zu vollziehen in viel gewaltigerem Ausmaß selbst als damals. Wir haben nun den kirchlichen Niederschlag der damaligen Auseinandersetzungen in der Hand, in der Bibel. Und jetzt ist unsere Aufgabe, in der Bibel lesen zu lernen. Das ist geschrieben, sagt die Bibel selbst, für uns, für alle die sie lesen. Und derselbe Gott, der die Bibel damals geschrieben hat, hatte - wenn ich das jetzt in der Vorstellung so ausdrücken soll - vor sich in der Vorstellung nicht nur die damaligen Leser und Hörer, sondern genauso und in einem und in denen und mit denen auch genauso uns. Ja. Aber geschrieben ist es in der Sprache und in der Sprechart von damals. Das macht die Schwierigkeit und die Aufgabe derer aus, die heute Menschen helfen wollen, daß sie diese Arbeit vollziehen, der Übersetzung aus dem Sprechen vor zweitausend Jahren in das heutige Sprechen. Eine - ich möchte fast sagen - unmögliche Aufgabe, wenn sie gestellt wäre an unser weltliches Wissenkönnen, an unsere bloße Exegese oder Dogmatik, Moral, Wissenschaft. Aber der gläubige Mensch sagt sich: Derselbe Gott, der damals wirkte alles in allen, der ist auch heute Alles in allen, und so ist zwischen einem Gläubigen des ersten Jahrhunderts und einem Gläubigen des 20. Jahrhunderst auch gar kein Unterschied. Es gibt nicht Jünger erster Hand und Jünger zweiter Hand, also Jünger die mit einem bestimmten Individuum Jesus Christus von Nazareth zusammen gewesen wären, und dann später Jünger zweiter Hand, die das von denen bekommen hätten. So sprechen wir, aber in Wirklichkeit haben die es genauso wie wir nicht bekommen durch Fleisch und Blut, sondern vom Vater, der im Himmel ist. Wenn wir unserem Glauben Ausdruck geben, daß wir erlöste Kinder Gottes sind und daß wir auf diesem Weg auch durch die Bibel unterstützt werden, dann haben wir das nicht aus den Mitteln der Welt, aus Fleisch und Blut. Wir sind aber versucht dazu, zu sagen: Was wir nicht aus Fleisch und Blut haben, das ist nichts. Da sind wir sehr stark versucht dazu. Das ist die Ursünde, die Urversuchung, ihr werdet sein wie Gott, Wissende. Das Wissen und nur das Wissen ist die Tugend und das Gute. Auch so ein Satz kann unter Umständen von einem gläubigen Menschen gesprochen werden als Ausdruck seiner Glaubensüberzeugung. Aber so ein Ausdruck würde mit dem Ausdruck der Bibel nicht übereinstimmen. Und ich sage immer: Gott sei Dank, daß wir die Bibel haben. Wir werden immer auch die Erfahrung machen, daß die Bibel mit ihrem Ausdruck ins Schwarze trifft. Die Aufgabe bleibt aber immer neu und sie ist heute brennender als je. Insofern ist der Jüngste Tag jetzt noch [jetzter ?], jetzt noch drängender. Wir sind jetzt dem Weltende noch näher als damals vor zweitausend Jahren. Jetzt ist unser Heil, sagt der Apostel, noch näher als damals als wir zum Glauben kamen. Zweitausend Jahre sind vor Gott wie zwei Tage, der dritte Tag ist noch gar nicht angebrochen. Der dritte Tag, der im Sprechen der Bibel eine so große Bedeutung hat. Der dritte Tag, der im Propheten Hosea als Ausdruck genommen wird für die Auferstehung des Fleisches. Was heißt das? Als das geschrieben wurde in der Bibel, da war die Bibel nur das Alte Testament. Er ist auferstanden gemäß der Schrift. Das Alte Testament natürlich, zB bei Hosea.

Der Ausdruck der Liebe ist immer vieldeutig, die Liebe selbst ist immer zweideutig. Protest? Da wird es nicht abzumessen sein, man wird kein Wissensmittel haben um die Liebe festzustellen. Ist das Liebe oder Haß? Die Liebe fällt nicht unter unser Wissen. Also mit unserem Wissen kommen wir da noch weniger heran, als wir mit unserem Fingernagel die Buchstabe lesen können. Das ist ein kleines Beispiel.

Der Sinn päpstlicher Unfehlbarkeit ist ein Verbot, anders zu reden, als der Papst befiehlt. Die Versuchung ist groß, das jetzt umzudeuten und den Ausdruck, den er braucht, einfach mit der Wahrheit gleichzusetzen. Doppelte Sprache. Übernatürliche Abstraktion? Wir können uns auf die Bibel berufen, aber nie auf die Bibel als auf ein eindeutiges Wort. Eine solche Berufung zu vollziehen sind wir immer versucht. Der Liebende ist ein Wissender. Unsere Liebe muß vernünftig sein. Das deuten wir dann immer wieder so um: ich muß den Glauben schließen. Und irgendwo am Schluß steht: Ich glaube an die Menschwerdung Gottes. Auch wenn es diese Kette gibt, auf keinen Fall kommt der glaubende Mensch, der liebende Mensch so zum Glauben und zur Liebe. Denn diese Schlüsse zieht alle viel besser jene Gestalt, die wir als Teufel bezeichnen und die nie glaubt, hofft, liebt. Und Menschen, die nie, wie wir sagen, Schlüsse ziehen können, die ungeheuer denklahm sind, können Heilige sein und Helden der Liebe, stark im Glauben. Sie wären nie imstande, einen Gottesbeweis vorzulegen, geschweige denn einen Beweis für das Entstehen einer biblischen Schrift. Der Teufel könnte das beste Buch über die Liebe schreiben. Alles ist denen, die Gott lieben, zum Besten. Auch ein Tanzabend. In allem und allen Gott finden. Er ist das Licht, das in den finstersten Höhlen [oder: Höllen] leuchtet. Überall war das Licht Gottes. Aber die Menschen können sich die Augen zuhalten und die Ohren zustopfen. Sie hatten Angst, dem Stephanus zuzuhören. Das kann auch bei uns vorkommen, daß Schüler sich Ohropax mitnehmen, um diesen Prediger nicht anhören zu müssen, weil man Angst hat, er könne einen bekehren.

Unsere Zeit ist zu Ende. Oh, wir bleiben zusammen, denn das äußere Zusammensein ist auch nur Zeichen des inneren Zusammenseins. Bleibt untereinander in Kontakt. Vor allem dann, wenn einer von einem hört, es ist irgendwas. Dann schreibt ihm einen schönen Gruß. Oder gar, wenn ihr ihn besuchen könnt, besucht ihn. Und ich habe schon manchem geraten: Wenn du auch für anderes kein Auto anschaffst - um Besuche zu machen für deine Mitbrüder, das allein wäre Grund genug. Und wie viele bekommen nie Besuch. Und wenn einer kommt, sind sie auch etwas befangen. Aber sie sind im Grunde so froh. Das waren die vier, fünftausend Mark für das Auto wahrhaftig wert.

Schreib was du willst, sag was du willst, nur in der Liebe, denn dieser Satz gilt immer. Er enthält alles: Ama et tu was du willst.

Mt 22. Wir sind immer am Bilden und Dichten. Der Poet in uns, der nous poietikos. Diese Bilder sind nicht nur verschieden voneinander, in ihrer bunten Vielheit widersprechen sie sich auch. In diesen Wirrungen bleiben wir vergraben und begraben, wenn wir uns eben zum Verstehen des Wortes Gottes auf die bloßen Mittel der Welt und des Fürsten der Welt verlassen. Nicht als ob uns die Bibelwörter nichts angingen, aber der Widersprecher will uns versuchen, uns in den bloßen Wörtern herumzutreiben ...

Der Messias ist ein Nachkomme Davids. Nicht irgendeiner der unzähligen einmaligen Individuen, die sich uns vorstellen, sondern der eine, einzige ewige Gott und Herr selbe, der in seine Welt kommt, einmal für allemal. Die Allemaligkeit. In immer neuer Einmaligkeit in jedem von uns. In allen Personen des Welttheaters da erkennen wir Gleichnisse unseres Mensch gewordenen Herrn selber. Das ist auch der Grund, warum unser Glauben, Lieben und Hoffen in Bild und Gleichnis auch unseren mitmenschlichen Einzelwesen gilt. Eben weil in jedem aus uns, und keiner ist von der Erlösung ausgenommen, Gott selber ist. Er ist nicht fern von jedem einzelnen aus uns. Die Einmaligkeit unseres Gottes da und dort umfaßt alle Einmaligkeit in der unendlichen Allemaligkeit, Ewigkeit Gottes selber. In dieser Überzeugung arbeiten wir, leben wir und leiden, sterben und in allem lieben wir. Sohn Davids und Herr Davids. Der Christ ist kein Deist und kein Humanist, und eigentlich auch kein Theist, ein Theandrist. In jedem von uns ist und lebt ER. Für den Ungläubigen war und bleibt es überhaupt nicht zu verstehen. Im Glauben aber wird uns dieses Evangelium in allem Menschenwort Frohbotschaft, Heilsbotschaft. Warum Gott lieben und Christus lieben bedeutet: den Nächsten lieben. Er ist nicht neben, vor, hinter und über ihnen, wie wir es uns immer vorstellen, sondern der als der Erlöser in all seinen erlösten Geschwistern lebt. Im Schoß der einen Mutter aller Lebendigen. Diese Wahrheit ist Kern und Stern unseres Lebens. Wir versprechen uns in jedem Sprechen, versagen in jedem Sagen. Indem ich über das Sprechen so abstrahierend spreche.

Man darf bei keinem Sprechen vergessen, daß es nur menschliches Sprechen ist. "Nur" ist ein ganz gefährliches Wörtchen. Es ist die Aufgabe der Kirche, auch über die Sprache des Bekenntnisses zu wachen. Con-fiteri ist: Zusammen bekennen. Homo-logia: Sprache der Gemeinschaft.

Die Pfarrer haben ihre Predigten seit Jahrzehnten fertig, und dann kommen die Professoren, und dann müssen wir andere Predigten machen ... Warum spricht der Mensch da nicht gern drüber? Wenn das Anathem von der kirchlichen Institution geschieht. Der Papst ist der ärmste aller Menschen. Von der Bäuerin, sie weinte und sagte: Armer Kerl.

In der Liebe wird die Auferstehung jetzt wirklich.

Die Psalmen sind Dichtungen, das Gebet der Menschheit. Goethe hatte immer die Bibel vor sich. Er hat Hebräisch gelernt.

Zum ersten Johannes-Brief:

2,2: "der ganzen Welt": das echt Ökumenische. Man muß auch mit den Nicht-Christen zusammen beten. Warum müssen die Katholiken herausgehen? So großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.

"Kein anderes Evangelium, Gebot" - du vereinfachst Bibel und Glaube ein bißchen zu stark - die tasteten damals diese erfahrene Einheit. Sie waren eines. Alle Gesetze der Natur werden durchbrochen. Wenn ein Mensch seinem Mitmenschen nicht Wolf sondern ein Herz und eine Seele ist, das ist das große Wunder. Es ist in uns am Werden, was von Gottes Seite aus da ist.

Zwischen 2,17 u. 18: vielleicht ein Einwurf: Das paßt für die letzte Stunde. Es sind viele Antichristen aufgestanden. Nicht alle, die äußerlich dazugehören, gehören wirklich dazu.

2,23: Gott will nur im Menschen geliebt werden.

Das heißt eine Definition Gottes fordern, wenn man die Liebe definieren will.

3,1: Er gerät aus der Fassung. Laß sie dir schenken, und du weißt was sie ist. Nicht studieren sondern anfangen. Laß sie dir schenken, und Gott wird sie dir definieren. Wie soll ich mich über etwas freuen oder um etwas bemühen, wovon ich nicht einmal weiß was es ist? Die Liebe teilt sich mit, das Wissen holt herein. Alle Fragen werden gelöst im Grade als wir uns die Liebe schenken lassen. Die Liebe, die da ist in Christus Jesus, dh die Liebe im Menschgewordenen, die keinen ausschließt. Was die Welt an uns kennt, ist nur die Oberfläche.

3,2: Wir wachsen, wir leben. Übermorgen. Nicht in eine Zeit hinter die Zeit verlegen. Das Wachs-Prinzip in uns. Die Hoffnung reinigt uns. Die Hoffnung personifizieren. Wir sind im Schoß der hoffenden Mutter.

3,4: Eine Gesetzesübertretung kann etwas Gutes sein, aber jeder, der die Sünde tut, führt auch zur Gesetzesübertretung.

3,7: Die Gerechtigkeit tun. Nicht das Sprechen darüber. Nicht das sich Halten.

3,8: Der Teufel, der Spalter, der die Menschen zu Atomen macht.

3,9: Wenn er in der Liebe bleibt, kann er gar nicht sündigen.

3,10: Haben wir sonst nichts zu sagen? Im Grunde und im Eigentlichen nicht.

3,13: Die Welt in uns, das Teufelskind in uns haßt das Gotteskind in uns.

3,14: Aus dieser Grabeswelt, in sich vergrabenen Welt sind wir hinübergegangen ins Leben. Wie schade, daß bei den vielen Diskussionen über die Auferstehung so selten hingewiesen wird auf diese klare Stelle.

3,15: Wer den Bruder haßt, ist ein Menschenmörder ... O ja, ich bin es gewesen ...

3,16: Wer Christ ist, wer sich von Ihm mit der Liebe beschenken läßt, der muß sein Leben einsetzen für unsere Mitmenschen. "Er geht auf in der Gemeinschaft": Sonnenaufgang ... to arise, Aufstehen. "Ich habe Dich nie gesehen. Ich habe immer die Apostel beneidet, die Dich sehen konnten." - ... weil ihr immer Arme unter euch habt ... Das Gericht ist immer. Jetzt ist die Stunde. Weil du unter deinen Mitmenschen stehst, weil du in der Menschwerdung stehst. Brauchst du sonst gar nichts? Nein, sonst nichts. Auch die Kindermenschen leben unter Menschenkindern. Wieviel Unmenschlichkeit, Grausamkeit, Haß!

Wenn die Bibel so die Nächstenliebe in den Vordergrund stellt, wie ist es da mit den siebenmal Siebzigmal am Tag? "Man kann auch nicht immer verzeihen ..." Vergibt man sich nicht etwas, wenn man dem andern vergibt? Das ist der ganze Ernst, der in diesem Großen Gebot in unser Leben beherrschend eingreift. Manche haben es leichter, manche schwerer, zu verzeihen. Es ist immer unmöglich für den Menschen, wenn er es aus seinen Kräften anstrebt.

4,3: Jeder, der nicht bekennt den Fleisch gewordenen Gott ... der ist nicht aus Gott. Wir leben nicht nur im Gottessohn sondern im Menschensohn. Die beiden sind Einer, nicht zwei.

4,8: Gott ist die Liebe. D.h. Gott ist eine Weise der Mitmenschlichkeit. Die geschaffene Liebe - das Liebe-Geschöpf - die liebe Geschaffene.

4,11: Die Nächstenliebe läßt sich nicht begründen humanistisch, sondern durch die Menschwerdung Gottes. Gott hat nie jemand gesehen ...

4,12: Sich loslösen aus der wahren Gemeinschaft der Erlösten, das begründet die Sekte, dh sich abtrennen aus der Menschheit ...

Es ist sicher für die nächsten Jahre ein Zunehmen der Irrungen und Wirrungen in der Kirche zu erwarten. Das Wunder aller Wunder, die Umwandlung des Menschenkindes in ein Gotteskind. Das ist vom Evangelisten erzählt, damit es bei euch Wahrheit wird, wenn ihr untereinander die Liebe übt. ... daß wir Christen werden, d.h. daß wir liebende Menschen werden. Wir sind alle Geschwister. Sie müssen das Wort des Lebens spüren mit ihren Händen, das da vor ihnen steht in einem liebenden Menschen. Auch in der Seelsorge ist dieses das Programm: die Nächstenliebe. Nichts anderes? Nichts anderes.

Ich will von meinem Partner lernen. Wir haben gelernt, in der Disputation sofort zu merken: Wo kann ich in dem, was mir der andere sagt, die schwache Stelle entdecken? Und darauf sind wir dann aus. Da werde ich einsetzen. Ich bin gar nicht eingestellt, zu lernen. Die Liebe zeigt sich nicht nur im Geben sondern auch im Annehmen. Das ruhige Anhören. Zusammen überlegen, ja sogar zusammen beten. Wenn wir das lernten und auch im Unterricht das weitergäben, dann könnten wir Großes, Wunder wirken. Denn mit all dem wird das, was wir bloßes Naturgesetz nennen, überwunden. Und das wird der Gegenstand unseres Gebetes sein, daß wir das von Gott annehmen. Die Liebe können wir uns nicht geben, aber wir können sie uns schenken lassen. Gott der du die Liebe bist, du hast mich lieb. Dann wären wir, was unsere Aufgabe ist, lebendige Wunder.

Warum fehlt im vierten Evangelium der Einsetzungsbericht? Weil die drei es schon haben? Das wäre Torheit. Ihm geht es um das, was diese Zeichen bedeuten. Was dieses heilige Zeichen, das die Urgemeinde feierte, was das meint: nämlich die Gemeinschaft. Kommen die Sakramente nicht zu kurz? Wenn hier, wo eine Gemeinschaft einer anderen nahelegt, sich mit ihr zu einer Einheit zusammenzuschließen, wenn da gar nichts gesagt wird über das, was uns wichtig vorkommt?

... In unseren Mitmenschen, in denen er Mensch ist. Wir müssen uns hüten vor der Auffassung, daß die Menschwerdung Gottes darin bestand, daß Gott ein abgetrenntes einzelnes menschliches Individuum, Person genannt, geworden wäre. Sondern daß die Menschwerdung gerade darin besteht, daß er diese Zerspaltung dadurch, daß er hineinkommt in unsere Heillosigkeit, daß er sie dadurch überwindet und uns die Kraft gibt, sie zu überwinden. Es ist unmöglich, aber es ist dann leicht und selbstverständlich in der Gnade, die er schenkt.

Individualisator, Personalisator, der Teufel.

Schlüssel des Himmelreiches: die Liebe. Sie bindet und löst. Sie ist der Schlüssel für alles. Liebe, und du hast alles.

[1 Joh 5,6]: Nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut: Es ist nicht dies oder jenes menschliche Zeichen, sondern der Mensch gewordene Gott selber. Der Geist ist die Wahrheit. Die Leinwand gehört zum Bild. Was waren das für Pinsel? Ich bin nämlich Pinselhändler. Und an dem, worum es geht, sind sie überhaupt nicht angekommen. Wenn ein Kunstverständiger dabei ist, dann schmerzt ihn das.

Man darf nicht Glaube und Liebe zu sehr trennen, wie Luther es vielleicht getan hat. ...

In der Gestalt des Teufels wird gerade das dargestellt: das sich gegen das Beten und das Annehmen und Liebe und Gnade und alles Wehren. Diese Gestalt, in ihrer ganzen Arroganz: Aber es ist alles nur Angeberei, es ist bloße Wirklichkeit. Er ist nicht gewirkt in der Liebe, wie das reine Geschöpf. So ist diese Gestalt des Satans, des Widersprechers, so ist sie dargestellt in der Bibel und immer gegenübergestellt dieser anderen Gestalt, die dieser Gestalt den Kopf zertritt in der Macht ihres Sohnes.

5,17: Der Teufel kann uns nicht zu Teufeln machen ... Das letzte Wort darf nie die Heillosigkeit sein sondern das Heil. Weil das Ewige Leben in unser Sterben hineingekommen ist, ist es besiegt.

Der gläubige Mensch ist der freie Mensch. Der ungläubige ist der unfreie, der Sklave, das Kind des Teufels, des Urhebers aller Unfreiheit. In Wahrheit kommt der Religionslehrer als Zeuge des christlichen Glaubens, und sein Unterricht ist Gottesdienst, ob er in den Schulbänken steht oder auf der Kanzel.

Eine Gestalt der Kirche, eine figura huius ecclesiae, die ist am Untergehen. Denn die Kirche ist in der Welt, und die Gestalt dieser Welt vergeht, auch die Gestalt der Kirche in dieser Welt. Um Gottes willen, der liebe Gott geht unter? Nein! Wenn ein Baum stur seine Blätter behalten will und sagt, ja, die haben sich bewährt, dann wächst er nicht mehr. Die Kirche vergeht nicht. Sie ist sein liebes Geschöpf. Die ungefallene Schöpfung. "Leider Gottes". Gott kommt in dieses Leid hinein, Gott sei Dank. Das letzte Wort ist immer: Ich habe die Welt besiegt. Und in mir besiegt sie jeder, der in mir lebt und sich bewegt und betet und leidet und stirbt.

Römerbrief

"Praxeis Apostolon". Praxis von Aposteln. So handeln Apostel. Das biblischste Wort für das, was wir Geschichte nennen, ist sarx. Sie gehört nicht zum Geschöpf als solchem ... Paulus heißt klein. Saul war ein Königsname. Paulus, Sklave. Von und zu Saul. Der Herr konnte seinen Sklaven zertreten wie eine Maus, und kein Hahn krähte danach. Die Sklaven wurden verkauft wie ein Pfund Sauerkraut. Paulus, ein Chef der jüdischen Gestapo, er mußte diese Leute holen gehen, die da mit neuen Ideen kamen. Da wurde er vielfacher Mörder im eigentlichen Sinn des Wortes. Er war ein Pharisäer, er wird abgesondert für die Frohbotschaft Gottes.

Der auferstandene Christus in uns, der erkennt sich als Kind Gottes, und die äußere, bloß fleischliche Oberfläche ...

Ein Brief an alle, nicht nur an die römisch-katholische Kirche. Gnade euch und Friede. Der Geist Gottes, der den Brief schreibt, hat uns vor Augen wie ihn, die Inspiration geht auf uns wie auf ihn. Keine Professoren. Nicht als ob wir keine Gnade fänden, aber wir sollen nicht so tun, als wenn wir etwas Besonderes wären. Die Kategorie schwer und leicht paßt nicht.

1,8: "Auf der ganzen Welt". Wir reden genauso dumm noch, obwohl wir schon wissen, daß die Erde nicht die Welt ist. In Rom, mitten in der verlorenen heidnischen Welt, sitzt eine Gruppe von liebenden, glaubenden Menschen.

1,10. "Immer". Für ihn ist der Christ der immer Betende.

1,13. Warum Mission und wie Mission. Der Glaube kommt von Gott, aber das geschieht in Jesus Christus, dh im menschgewordenen Gott, dh durch die Menschen, in denen Christus Christus ist und als Christus lebt und wirkt. Der Glaube hat Stufen, er kann schwach sein, er kann stark werden. Es geht nicht am andern vorbei, sowenig wie es an Gott vorbei geht.

1,16. Sie ist der Dynamit Gottes, die Atombombe, *die* Kraft Gottes. Wo die hinkommt, da ist die Wirkung durchschlagend.

1,21 ff. Die Perversionen sind eine Folge der Urtäuschung, die das Geschöpf mit dem Schöpfer verwechselt.

Der Missionar geht nicht hinaus um die Bibel zu verkaufen. Die anderen müssen nicht erst Juden werden. Der Papst schickt nicht einen Monsignore in Uniform, um an die Brust zu klopfen, sondern er tut es in eigener Person. Die Heillosigkeit ist nie das Letzte. Die Sünde ist der dunkle Hintergrund, die Wolke, durch die Gottes Licht immer hindurchscheint. Es ist sehr wichtig, daß wir frohe Menschen sind. Der einzige, der wirklich andere froh machen kann, ist der gläubige Mensch. "Frohbotschaft" nach Matthäus wäre besser als "Evangelium". Hütet euch vor Überarbeitung. Erholung, genügender Schlaf, der freie Montag. Ich treffe heute so viele Geistliche, die überarbeitet sind, und da, bei der Seelsorgearbeit, da geht immer etwas an die Nieren. Er nimmt das Leid des andern, das auf ihn gebracht wird, im Beichtstuhl, im Sprechzimmer, das nimmt er auf sich. Und muß es irgendwie auf sich nehmen. Das zehrt.

2,11. Vor Gott ist kein Ansehen der Person. Sie stehen vor ihm in der Gemeinschaft. Nicht wie Ameisen oder ein Bienenvolk. Aber es hat doch Analogien dahin, daß der Einzelne sich nicht herausstellen soll aus der Gemeinschaft in all den Sünden, die im Grunde alle auf Durchbrechen der Nächstenliebe gehen.

2,12. Nomos = Bibel. Ich würde nicht sagen: Anonyme Christen, sondern außerbiblische Christen. Sie haben die Bibel nicht, sie wollen sie auch nicht. Sie werden sie vielleicht eines Tages wollen, wenn der Missionar sie mit der Tat predigt.

3,2/9 Wir haben sehr viel voraus. Gebet: Möge ich doch dein heiliges Zeichen nicht entheiligen und von mir aus unwirksam machen. Gottes Gnade kann ich nicht unwirksam machen. Aber ich kann mich lostrennen von Gottes reiner Schöpfung.

Wenn's denn doch egal ist im Letzten und wenn es im Letzten darauf ankommt, daß Gott in uns das Gute wirkt und von ihm all unser Wollen und Können kommt, folgt dann nicht daraus Libertinismus? Das wird tatsächlich mir vorgeworfen, mir dem Prediger, und auch im Kreis meiner Gemeinschaft. Es wird vorgeworfen, wir relativieren die Bibel, das heilige Gesetz Gottes, die Sakramente, die Beschneidung, die Taufe, wir relativieren, wir sagen: Das macht es nicht. Und ein Getaufter hat vor dem nicht Getauften zwar viel voraus, aber im Letzten hat er nichts voraus. Wir sind Indifferentisten, wir sagen: Ob Jude, Heide, Hottentott, wir glauben all an einen Gott. Also ist es ja ganz gleichgültig, ob wir die Zeichen annehmen, ob wir unsere Kinder beschneiden und taufen lassen oder nicht. Ob wir die Bibel haben oder nicht, wenn sie es ja doch nicht macht. Das ist der Vorwurf, der uns gemacht wird. So sagen einige, daß wir sagen ... Sie relativieren das Gesetz, die Bibel, die Autorität, die Gesetzeshüterin.

3,19. Wir wissen aber: Das, was die Bibel sagt, das sagt sie denen, die unter der Bibel stehen, damit ihr Mund verstopft werde. Denn durch die Bibel kommt die Erkenntnis der Sünde.

3,21. Nun aber, unabhängig von der Bibel ... Hier ist gar kein Unterschied. Jesus = Mensch gewordener Gott. Dann stimmt die Transposition.

Gott, in die Geschichte kommend, macht doch nicht die Geschichte zur Wahrheit, aber er kommt in die Geschichte, und er kommt auch in die Einmaligkeit der Geschichte. Aber sobald das so verabsolutiert wird: er kommt nur in jene Zeit, selig die damals gelebt haben, wir sind zu spät geboren - da sagt Paulus: So ist es nicht. Es ist eine Einmaligkeit Gottes, und wenn der mit seiner Allemaligkeit in die Einmaligkeit kommt, dann wird dieses Vergängliche, Vergehende erhoben in die Ewigkeit Gottes. Und die Menschen, die sich da erfassen lassen von dem Heilsgeschehen Gottes in seinem Sohn Jesus Christus, in denen wird hier und je und jetzt in ihrer Einmaligkeit, in deiner und in meiner, das Heilsgeschehen Gottes von damals jetzt gegenwärtig. Das wird das Thema sein von späteren Kapiteln. Hier wird es insofern schon angedeutet, weil er es für notwendig hält, hier schon darauf hinzuweisen, weil es sonst eben immer mißverständlich bleibt, daß er die Bibel so relativiert und auf der anderen Seite sie doch nicht etwa beiseite schiebt. Aus der Beschneidung wird die Taufe, aus einem Zeichen ein anderes Zeichen, wir bleiben in der Welt der Zeichen, wir werden nicht aus ihr herausgenommen. Es ist nicht so, als ob das Alte Testament das der Zeichen gewesen wäre und das Neue keine Zeichen mehr hätte. Das AT hatte nur ein Zeichen, eben die Beschneidung, das NT hat deren sieben. Usw. Solche veräußerlichenden Auffassungen, denen will er entgegentreten. Die sind gefährlich. Die Menschen, die in ihrer Oberflächlichkeit versucht sind, diese ihre Oberfläche der Geschichte zu verabsolutieren, werden immer in der Gefahr sein, daß sie die sog. Tradition der Kirche falsch verstehen, nicht als den immer lebendigen Mensch werdenden Gott, Christus gestern, Christus heute, Christus immer, sondern sie werden immer versucht sein, einen Christus abzuspalten von [vor?] 1967 Jahren, und immer nach dem zurückschauen. Wenn die Erde und die Weltgeschichte sagen wir einmal statt viertausend, fünftausend, Millionen Jahre weiter geht, so wird immer der Blick von gläubigen Menschen notwendig zurückgehen müssen auf ein ungeheuer fernes Jahr, was sie vielleicht gar nicht mehr ausdrücken können, schreiben können. Aber so ist es nicht. Das ist eine Verabsolutierung der Geschichte, der Einmaligkeit der Geschichte sei es in Vergangenheit, sei es in der Gegenwart, in der Zukunft, sei es bei diesem oder jenem menschlichen Individuum, das wir für eine menschliche Person ausgeben: im Grunde die eigentliche Leugnung unseres christlichen Glaubens. Und dann antworten wir auf die Frage des Herrn: Für so einen wie Johannes den Täufer oder Elias oder Jeremias. Jedenfalls für eine menschliche Person, für die erhabenste menschliche Person, die je gelebt hat. Die erhabenste, beste, tapferste, alle guten Eigenschaften sind bei dieser Person, Dinge, die wir oft genug in Lehrbüchern lesen können als Beweise für die Gottheit Christi aus den Eigenschaften dieser Person, die wir mit anderen geschichtlichen Personen vergleichen, mit Buddha, Sokrates, oder was wir sonst so in dieser unserer verhältnismäßig kurzen Etappe überblicken. Wenn die Zeit weiterschreitet, dann wird diese Zeit zusammenschrumpfen. Vor Gott sind tausend Jahre ein Tag. So gerechnet, sind wir noch nicht einmal am dritten Tag der christlichen Kirche. Der zweite ist noch nicht zu Ende. Schon durch solche einfachen Erwägungen werden wir an die Relativität aller bloßen Geschichtlichkeit und geschichtlichen Tatsächlichkeit gemahnt, daß wir nicht daran alles aufhängen.

Der Römerbrief relativiert alles außer Gott. Auch die Bibel. Auch die heiligen Zeichen der Sakramente. Auch das Tun und Lassen der einzelnen geschichtlichen Individuen. Es geht ein allgemeines Relativitätsgesetz durch diesen Brief, durch die ganze Bibel hindurch. Aber das ist nicht das letzte Wort. Denn in diese Relativität kommt Gott, der Absolute, der von jeder bloß geschichtlichen Verweslichkeit Freie, und indem er hineinkommt, darin ist, und nicht bloß war und sein wird sondern _ist_, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, alle Zeitlichkeit und Zeit überwindend, da ist der Sieg, der den Relativismus überwindet, unser Glaube. Aber immer wieder, die Welt selbst aus sich erkennt das nicht. Die Welt kennt das, was die Bibel relativ nennt, und was die Bibel absolut nennt, davon sagt die Welt, das ist eine bloße Bezogenheit auf mich den studierenden, wissenden Menschen, weiter nichts. So stellt die von Gott abgefallene Welt, die den Schöpfer mit dem Geschöpf vertauschende Welt, alles auf den Kopf, pervertiert alles.

3,28: Auch nicht die Werke, die er aufgrund der biblischen Tradition tut. Das, was den Menschen mit Gott verbindet, ist der Glaube und die Liebe. Und Luther hat die Trennung zwischen Glaube und Liebe sehr stark überbetont. Wenn ich sage, die Werke machen es nicht - also sind sie nichts? Das folgt nicht daraus. Oder ist Gott allein der Gott der Juden, ist Gott allein der Gott der römisch-katholischen Kirche, ist er nicht auch der Gott der Heiden? Der anderen Kirchen und auch der Nichtchristen? Ja freilich. Denn es ist ein einziger Gott, der macht gerecht die Beschnittenen aus dem Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben.

3,31 [Tun wir also das Gesetz ab?] Nein, wir richten das Gesetz auf. Autorität und Liebe, Autorität und Freiheit, hier werden sie kurz und knapp behandelt. Der Christ, der die Gesetzesautorität der autoritären Kirche hochhält, der setzt sich keineswegs in Gegensatz zur Bibel. Würde er allerdings dazu übergehen und die Autorität als solche als das Letzte hinstellen, und die blinde Unterwerfung unter die Autorität als das Ein und Alles und in dem Sinn solche Sätze nehmen: "Roma locuta causa finita", ja dann muß der Mensch sehr achtgeben, wie er hier in einer Zweideutigkeit steht, die für ihn sehr gefährlich werden kann und die ihn sehr leicht ungerecht werden läßt gegenüber Mitmenschen, die in echter Liebe nun die Relativität der Autorität sehen und einhalten. Es kann dann diese Konfliktsituation geben, die man keinem Menschenkind wünscht und aus der man wie gerade wir Seelsorger unseren Mitmenschen heraushelfen müssen. Für ein Wie, wie wir das machen, gibt es kein Gesetz. Wenn du den Mitmenschen wirklich liebst, dann wirst du einen Weg finden, um ihn in solchen gefährlichen Situationen nicht allein, nicht stehen zu lassen, nicht zu verachten und nicht ihn einfach abzuspeisen: Unterwirf dich, und Schluß, die Autorität hat gesprochen! Sondern du wirst den Weg finden in Liebe, was dieser dein Mitmensch hier und jetzt tragen kann, wirst sehen, was er noch nicht tragen kann, wirst vielleicht auf weite Sicht einmal ein Auge zudrücken, vielleicht auch zwei Augen. Du wirst ihm immer helfen wollen, du wirst nie in deinem Leben einen dann stehen lassen. Wir zeigen den geschiedenen Leuten eindeutig: ja oder nein - das gibt es nicht und gibt es erst recht in der Seelsorge nicht.

4: Abraham, diese große Allegorie. Dichtung und Wahrheit in einem, nicht nebeneinander. "Das Pferd sprach zum Esel: Dieser Schafskopf". In der Bibel sind keine genera ausgeschlossen. "Und es geschah." Glaubst du, daß Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat, und zwar genauso? Glaubst du, daß Gott den Adam und die Eva ...? Beten und zu verstehen suchen, was dieser Verfasser sagen wollte. Und beim Neuen Testament: "Die Bibel hat doch recht." Ein unglückliches Buch. Eines der unvernünftigsten Bücher, die jemals geschrieben worden sind. Zweimal Bestseller, das letzte Mal mit Bildern. Man greift sich an den Kopf, und wir Geistlichen sind nicht selten schuld, vor allem in unserem Unterricht. Nach dem Abitur nur mehr einer oder zwei von zwanzig. Waren diese jungen Leute vorbereitet darauf, daß sie unterscheiden zwischen dem, was Glaube und was Glaubensausdruck in menschlicher Sprache ist? Zu unterscheiden zwischen der Sprechform und der Wahrheit, die in diesen Gestalten ausgedrückt ist? Sie waren nicht vorbereitet. Und nun sahen sie, wie diese Formen zerbrachen, und dann sagen sie: Ich kann nicht mehr glauben. Und nicht immer ist die Frau dahinter. Der Religionsunterricht hat versagt. Er hat diese Menschen in eine Unmündigkeit hineingehämmert, daß sie Bilder und Gleichnisse mit der Wahrheit identifizierten. Wir haben doch gelernt: in sechs Tagen. Seesturm. ...

Und er lastet dem andern Lasten auf, die er selbst nicht tragen kann. Er ist schuld, daß der Name Gottes unter den Menschen gelästert wird. Ernste Fragen: Was bin ich meinem Mitmenschen schuldig? Und manchmal bedeutet das für den Geistlichen Arbeit. Er muß nachdenken. Und wie sage ich das so, daß ich nicht noch mehr Unheil stifte? Auf der Kanzel: Geliebte, die Himmelfahrt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus hat nie stattgefunden. So ein Esel. Er kann auch oft mit den Büchern nicht viel anfangen, weil die oft sehr naiv verfaßt sind, auch die Handbücher. Dann muß er arbeiten, sich mit Mitbrüdern zusammensetzen und sagen: Wie machst du es denn? Wie antwortest du auf diese Fragen? Warum soll ich nicht zugeben, daß ich da zu lernen habe, auch als Lehrer? Und er merkt, wie oft die Kinder empfänglicher sind für die Wahrheit als übergebildete, verbildete Erwachsene.

Ja, das könnte ja jeder sagen - ja, sagen kann es natürlich jeder, auch der ungläubigste und liebeleerste Mensch könnte sagen: ich liebe. Und so spricht er genau wie der wahrhaft liebende Mensch, und du kannst das auch gar nicht wirklich unterscheiden, du hast kein weltliches Mittel., das zu unterscheiden. Das steht dir nicht zu und du brauchst das auch gar nicht. Im Beichtstuhl wird nichts Unmenschliches von dir verlangt.

Alle genera legen Wert auf die Wahrheit. Es könnte sein, daß dir liebgewordene Vorstellungen zerstört werden. Das tut weh. Da kommt es ihm vor, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen würde. In diesem Zustand des Mündigwerdens, wovon dieses Mündigwerden des Kindes ein Bild ist, befindet sich heute die Menschheit weithin. Und wir muten heute den Menschen nicht mehr zu, in ihrem Tun und auch in ihrem Sprechen, was vor fünfzig Jahren noch selbstverständlich gewesen wäre. Dann sagt mancher: Ja das geht doch nicht. Es kann sein, daß auch den Eltern dieser Kinder es so vorkommt: Unser Kind glaubt nicht mehr. Noch voriges Jahr, da hat es so treu geglaubt, daß das Christkind den Weihnachtsbaum anzündet. Und die Mutter ist tieftraurig, kommt zum Priester und sagt: Was soll ich mit dem Kind machen? Man darf genera nehmen, aber man darf sie nicht fälschlich einhämmern. Hat Johannes recht gehabt? Es ist ja jetzt eine heillose Verwirrung. Jetzt gibt es nicht Rezepte. Ich habe Menschen vor mir, Menschen in bestimmter Situation. Und ich lerne: Dem antworte ich so, dem so. Der kann das tragen, der kann das noch nicht tragen. Und dann hat man verglichen, daß er Verschiedenen auf dieselbe Frage eine verschiedene Antwort gegeben hat. Der eine kann diese Antwort vertragen, der andere das noch nicht. Das stellt an den Seelsorger in einer Zeit wie heute viel mehr Anforderungen als noch vor fünfzig Jahren ... Schon der Unterricht vor 50 Kindern zusammen ist so schwer, und es wird dem Geistlichen oft viel leichter die Seelsorge an einem. Das Nikodemus-Gespräch hört auf einmal auf. Hat er verstanden?

Was hat der Verfasser gewußt? Das weiß ich nicht. Und das interessiert mich nicht. Denn danach werde ich nicht gefragt.

Die Sage von dem, dem alles, was er berührt, Gold wird. Dann verhungert er. So wollen wir alles in Wissen verwandeln. "Ich kann mir nichts darunter vorstellen." Ich auch nicht. Die Vorstellungen dürfen niemals identifizieret werden mit dem Glauben. Abraham ist gerechtfertigt vor dem Zeichen. Abraham ist der Vater aller Gläubigen, auch der nichtbiblischen Gläubigen. Allegorie, wegen der Unaussprechlichkeit Gottes. ... Als er [wohl: Buber] die Psalmen neu übersetzte: die Sprache selbst macht diesen Unterschied [wohl: der grammat. Zeiten] nicht so wie wir. Da klingt etwas von der zeitüberwindenden Ewigkeit Gottes durch auch schon im äußeren Sprach -[?ü?] der semitischen Sprache. In ihrer Sprache liegt so etwas Unbekümmertes um ihre bloße Zeitlichkeit. Wir leben in der Zeit der Geschichtsverklärung. Was geschichtlich ist, ist wahr; was nicht geschichtlich ist, ist keine Wahrheit. ... Die Schöpfung, die Erlösung, und die Vollendung. Sie ist das Letzte. Ist die Schöpfung etwas Geschichtliches? Die Erlösung? Was ist denn nun nach dem Tod das eigentlich Letzte? Daß jetzt schon die letzte Stunde ist. Die letzte ist jetzt. Nein, um sich jetzt verständlich zu machen: Vor der letzten Stunde kommt der Antichrist. Ja, sagt Johannes, der Antichrist ist auch schon da. Die zeitlichen Ausdrücke werden da nicht verabsolutiert. Das, was die Bibel darstellt. Was nützt es uns, wenn irgendwann einmal ein Mann ein krankes Bein hatte, wenn du hier deinen Nächsten nicht liebst und ihm in seinem kranken Bein zu Hilfe kommst? Von Natur liebt kein Mensch den anderen, ist ihm ein Tier, ein Wolf. Wie mache ich es, daß der Name Gottes nicht verlacht wird unter den Ungläubigen, indem ich ihnen eine Last auflege als angeblich zu glauben, die ich selbst nicht glaube und die nichts mit dem Glauben zu tun hat sondern mit einer bestimmten Gestalt des Glaubens? Wir haben nur eine Sprache, um das Weltliche und das Eigentliche zu bedeuten.

*
[Anhang: Brief an Altgermaniker, nach einem Rundgespräch (im Gregorius-Saal des Kollegs) über Wilhelm Klein am 28. Oktober 2002]

Liebe Freunde,

nachdenklich macht mich, daß zwei von uns sagten:

a) daß sie ohne P. Klein möglicherweise nicht Priester geworden wären,

b) daß sie seiner Spiritualität inzwischen mißtrauen, weil er die Geschichte auf eine unchristliche, fast gnostische Weise abgewertet habe.

Was haltet ihr von folgender "Hierarchie der Wahrheiten"?

a) Mystische Heilswahrheit: Die Geschichte "macht es nicht". Innergeschichtliche Maßstäbe gelten nicht absolut, werden durch Zeit, Vielheit und Tod relativiert. Das gilt auch für die historischen Figuren Jesus, Maria, Kirche. Jesu Protest "was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott dem Einen" (Mk 10,18) wird vom erhöhten Christus nicht zurückgenommen. Wer - weil der Vater ihn nicht zieht (Joh 6,44) - Jesus nicht als Erlöser kennt sondern de facto spirituali als Jude, Moslem, Buddhist oder skeptischer Humanist lebt, oder auch als verfemter Brückenchrist, dem fehlt, wofern er (eben dies; circulus vitalis!) glaubt oder hofft und die Mitmenschen liebt, nichts zum Heil.

b) Geschichtliche Tatsachenwahrheit: Die Geschichte "ist aber auch nicht nichts", vielmehr "Gabe, Frei-Gabe und Auf-Gabe" [G.Greshake, Auferstehung der Toten (Essen 1969), 380] Gottes an uns. Insofern "ist das konkret Materielle nicht gleichgültiges Exerzierfeld der Freiheit, sondern wirkliches inneres, 'sich verewigendes' Moment ... so daß seine bleibende Frucht eine je andere menschliche ‚Natur' konstituiert" [ebd 390].

Wie klingen beide Wahrheiten uns "stereo" ineinander?

a) Christi Wille an alle: Weil die Geschichte es nicht macht, sollen wir - wie P. Klein - radikal dialogbereit sein, auf das hören, was der Geist unserem jeweiligen Gegenüber sagt, und ihm Christus als das Große "JA für alle Verheißungen Gottes" verkünden (2 Kor 1,20): Sei ein liebender Mensch. Mehr braucht es nicht zum Heil.

b) Christi Wille speziell an die Seinen: Insofern die Geschichte keineswegs nur vorläufig als Heils-Zeichen dient, sondern als Heils-Woran verewigt wird, bekommt jede Geschichte ihre endgültige Würde geschenkt, natürlich auch die christliche. Innerhalb ihrer gilt der Wille des Auferstandenen an uns: Seid, als meine Zeugen, radikal missionsbereit. Erzählt der Welt von mir (und, falls ihr Wilhelm Kleins Sophien-Botschaft vernommen habt, auch von meiner ungefallenen Schöpfung). Nicht grimmig aber, nicht so, daß ihr euren geschichtlichen Maßstab verabsolutiert, sondern demütig und voller Hoffnung, daß eure Teilperspektive zuletzt Anteil an meiner Absolutheit erhält - nicht bloß eure aber sondern auch die aller anderen Menschen und Gemeinschaften, die auf eine Weise zu MIR gehören, von der ihr jetzt wenig oder nichts versteht.

Quid vobis videtur? Placet? Iuxta modum?

Euer

Jürgen Kuhlmann

P.S. Hier noch ein Abschnitt aus P. Kleins Exerzitienvortrag 1967 in Bonn:

Die Menschen, die in ihrer Oberflächlichkeit versucht sind, diese ihre Oberfläche der Geschichte zu verabsolutieren, werden immer in der Gefahr sein, daß sie die sogenannte ‚Tradition der Kirche' falsch verstehen, nicht als den immer lebendigen, Mensch werdenden Gott, "Christus gestern, Christus heute, Christus immer, sondern sie werden immer versucht sein, einen Christus abzuspalten von [vor?] 1967 Jahren, und immer nach dem zurückschauen. "Wenn die Erde und die Weltgeschichte, sagen wir einmal, statt viertausend, fünftausend, Millionen Jahre weiter geht, so wird immer der Blick von gläubigen Menschen notwendig zurückgehen müssen auf ein ungeheuer fernes Jahr, was sie vielleicht gar nicht mehr ausdrücken können, schreiben können. Aber so ist es nicht. Das ist eine Verabsolutierung der Geschichte, der Einmaligkeit der Geschichte sei es in Vergangenheit, sei es in der Gegenwart, in der Zukunft, sei es bei diesem oder jenem menschlichen Individuum, das wir für eine menschliche Person ausgeben: im Grunde die eigentliche Leugnung unseres christlichen Glaubens. Und dann antworten wir auf die Frage des Herrn: Für so einen wie Johannes den Täufer oder Elias oder Jeremias. Jedenfalls für eine menschliche Person, für die erhabenste menschliche Person, die je gelebt hat. Die erhabenste, beste, tapferste, alle guten Eigenschaften sind bei dieser Person, Dinge, die wir oft genug in Lehrbüchern lesen können als Beweise für die Gottheit Christi aus den Eigenschaften dieser Person, die wir mit anderen geschichtlichen Personen vergleichen, mit Buddha, Sokrates, oder was wir sonst so in dieser unserer verhältnismäßig kurzen Etappe überblicken.

Wenn die Zeit weiterschreitet, dann wird diese Zeit zusammenschrumpfen. Vor Gott sind tausend Jahre ein Tag. So gerechnet, sind wir noch nicht einmal am dritten Tag der christlichen Kirche. Der zweite ist noch nicht zu Ende. Schon durch solche einfachen Erwägungen werden wir an die Relativität aller bloßen Geschichtlichkeit und geschichtlichen Tatsächlichkeit gemahnt, daß wir nicht daran alles aufhängen.

Der Römerbrief relativiert alles außer Gott. Auch die Bibel.


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