Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

Vergottung im Heiligen Geist

Die Botschaft des Athosmönches Gregorios Palamas


Um 1330 kehrte der Philosoph Barlaam aus Kalabrien in Italien nach Byzanz zurück, um im Geist der beginnenden Renaissance sein eigenes klassisches Erbe zu erforschen. Dabei verfaßte er "antilateinische" Schriften über den Heiligen Geist mit der These: Weil Gott unerkennbar sei, sollten die Lateiner nicht länger behaupten, den Hervorgang des Geistes aus dem Sohn beweisen zu können.

Über diesen Punkt kam es 1337 zu einem Briefwechsel zwischen Barlaam und dem Athosmönch Gregor Palamas. Dieser bestand darauf: Weil der unerkennbare Gott sich geoffenbart habe, gebe es durchaus dogmatische "Beweise". Barlaam lernte die Mönche näher kennen und geriet als stolzer Denker in Zorn, als er von ihnen vernahm, der Leib habe am Gebet Anteil. Er veröffentlichte Artikel, in denen er die Mönche als "Nabelseelen" verspottete. Das trug ihm einen Verweis des Patriarchen ein. Barlaam sah jedoch das in Gefahr, was er für vernünftigen Gottesdienst hielt, und ließ die Mönche nicht in Frieden.

Von jetzt an war der Konflikt nicht mehr zu vermeiden. Palamas verteidigt die übernatürliche Erfahrung der Mönche: Das Licht, das sie sehen, sei nicht sinnlich, sondern göttlich, verdiene also nicht des Philosophen Spott. Dieser erwidert: Ihr behauptet also, Gott schon in diesem Leben zu schauen, das aber ist häretisch. - Natürlich sehen wir nicht Gottes Wesen, ist die Antwort, niemand kann es sehen, auch nicht im Himmel. Wohl aber schauen wir, und das schon jetzt, Gottes "Energien", seine gnädigen Zuwendungen, in denen er uns Heutigen nicht minder kund wird als der Urkirche. - Vor dieser unerhörten Unterscheidung kann der gebildete Humanist mit seinen byzantinischen Freunden nur zurückschaudern; ist denn Gott nicht unendlich einfach, so daß Wesen und Energie bei ihm streng identisch sind?

So begann vor bald 650 Jahren der Palamismus-Streit; bis heute scheidet er die Geister [Vgl. B. Schultze, Grundfragen des theologischen Palamismus, in: Ostkirchliche Studien 24 (1975) 105-135]. Standen sich damals Mystiker und Rationalisten gegenüber, so heute etliche selbst- wie sendungsbewußte Theologen der Ostkirche einerseits, bestimmte katholische wie protestantische Experten andererseits. Dort gilt Gregor (er starb 1359 in seiner Bischofsstadt Saloniki) als heiliger Kirchenlehrer, hier als wunderlicher Ketzer.

Drei Standpunkte

Katholische Anklage: Gottes Einfachheit wird geleugnet

Palamas unterscheidet zwischen Gottes unerkennbarem, nicht teilhabbarem Wesen und seinen mitteilbaren Energien; deren wichtigste sind die Schöpfung und die Vergottung (symbolisiert im Taborlicht der Verklärung). Dazu bemerkt P. Schultze, einer der profiliertesten katholischen Palamaskenner: "Die Grundschwierigkeit, die gegen die palamitische Unterscheidung vorgebracht wird, besteht in der Unmöglichkeit, im unendlich einfachen und vollkommenen Gott einen realen Unterschied anzunehmen. Eine solche Unterscheidung wäre real und zugleich absolut (in sich bestehend), im Gegensatz zu den realen, aber nur relativen (nur in der Beziehung bestehenden) Unterschieden der göttlichen Personen. Dazu kommt, daß Gregorios Palamas die göttlichen Energien 'Gottheiten' nannte und von einer höheren Gottheit, d.h. dem Wesen Gottes, und von niederen Gottheiten, d.h. den Energien, sprach. Dies veranlaßte seine Gegner, ihm im Kampf, der mit großer Leidenschaft auf beiden Seiten geführt wurde, Vielgötterei vorzuwerfen. Dieser Vorwurf trifft natürlich nicht die innerste Absicht des hesychastischen Theologen, er eiferte ja gerade für einen reinen, geläuterten Gottesbegriff" [Handbuch der Ostkirchenkunde, Düsseldorf 1971, 139].

Nicht die subjektive Rechtgläubigkeit von Palamas wird bezweifelt, wohl aber die Brauchbarkeit seiner Denkleistung für das kirchliche Sprechen. Tatsächlich hat die lateinische Kirche - bereits ein Jahrhundert nach dem Ausbruch des Streites - die berühmte Formel zum Dogma erhoben, in Gott sei "alles eins, wo nicht der Gegensatz der Beziehung entgegensteht" [Dekret für die Jakobiten von 1442 (Denzinger 703)].

Aufgebracht haben diesen Einwand aber schon die ersten griechischen Antipalamiten. Eine besonders scharfe Fassung stammt aus der Feder von Bessarion. Kurz vor dem Konzil von Florenz schrieb der junge Metropolit von Nikaia 1438 an einen Dominikaner, den Erzbischof von Rhodos: "Was uns in Verlegenheit bringt, ist jenes Problem von göttlicher Wesenheit und Energie. Deine Heiligkeit weiß, daß es in unserer griechischen Kirche darüber verschiedene Meinungen gab, und dennoch ist festgelegt und zu halten beschlossen worden, daß das göttliche Wesen von seiner Energie verschieden ist. Nun weiß aber der selige Thomas als dasselbe - nämlich die göttliche Wirklichkeit - das göttliche Wesen, und was um das Wesen ist ... Es war einmal, da nannte unsere Kirche nichts ungeschaffen als allein jene dreipersönliche Gottheit, alle ihre Vollkommenheit mit ihr identisch. Dann, vor nicht langer Zeit, gestützt auf ich weiß nicht was für Gründe, hat sie das Gegenteil festgestellt und solches als Säule der Wahrheit anzusehen befohlen: Ungeschaffen nennt sie nicht allein jene dreipersönliche und überwesentliche Natur, sondern auch gewisse andere unzählbare Gattungen und Arten von Gottheiten, unendlichmal unendliche, untere und obere" [M. Candal, Andreae Rhodiensis ad Bessarionem Epistula, in: Orientalia Christiana Periodica 4 (1938) 346f.].

1974 drückt ein anderer Dominikaner in vornehmer Sprache den nämlichen Vorwurf aus: "Die palamitische Seite hat das christliche Dogma der Vergöttlichung bewahrt, hat das aber nur um den Preis unzähliger metaphysischer Ungereimtheiten tun können und dabei das Geheimnis der Einfachheit des göttlichen Seins schwer kompromittiert" [J-M. Garrigues, L'énergie divine et la grâce chez Maxime le Confesseur, in: Istina 19 (1974)276].

[Daß der lateinische Vorwurf unberechtigt ist, zeige ich in den Teilen drei und vier meiner wissenschaftlichen Arbeit "Die Taten des einfachen Gottes" von 1965, 2003 hier veröffentlicht.]

Orthodoxer Anspruch: Vergottung läßt sich nur so bekennen

Quellgrund der palamitischen Theologie ist die unmittelbare Erfahrung der Athosmönche, das Erlebnis ihrer geistgeschenkten Einheit mit Gott. Hier vollzieht sich Wirklichkeit, nicht bloß Verstandesgeklingel: "Wenn du eine Stadt noch nicht gesehen hast und an sie denkst: durch das Denken erlebst du sie nicht, so ist es auch bei Gott und dem Göttlichen: durch Denken und Theologisieren erlebst du sie nicht. Es ist wie beim Gold: wenn du es nicht spürbar besitzest, spürbar in Händen hältst und spürbar siehst, magst du tausendmal den Begriff 'Gold' im Verstand haben, du besitzest und siehst darum doch überhaupt kein Gold. Ebenso magst du tausendmal über die göttlichen Schätze nachdenken - wenn du das Göttliche nicht erlebst, nicht mit geistigen, überverständigen Augen schaust, so siehst du weder noch hast du noch besitzest du etwas Göttliches in Wahrheit" [Palamas, Triaden I,3,34, ed. Meyendorff, Louvain 1959, 185; zitiert als Tr].

Diese göttliche Einheitserfahrung muß ausgedrückt, weitergesagt werden. Palamas stützt sich dabei auf die Sprachleistung der ersten Christen, die dem Offenbarungsereignis am nächsten stehen; auf Bibeltexte wie: "Wir sind zu neuen Menschen geworden durch den Heiligen Geist, den Gott als Gabe Jesu Christi unseres Heilandes reichlich über uns ausgegossen hat." (Tit 3,6) "Gott hat uns die kostbarsten und großen Zusagen geschenkt, durch die ihr die göttliche Natur mit innehaben sollt, wenn ihr der Vergänglichkeit der Welt mit ihrer Sucht entflohen seid." (2 Petr 1,4) Palamas nimmt sie als Deutung der eigenen Erfahrung auf.

Freilich kennt er, aus Tradition und Erfahrung, auch die Gegenwahrheit: Gott ist unendlich erhaben über uns Geschöpfe und alles, was Sinne und Verstand erfassen können. Aus dieser Spannung erwächst, wie er 1343 im Dialog "Theophanes" bekennt, sein systematisches Denken: "Du siehst, daß beides uns von den ehrwürdigen Theologen überliefert worden ist: wie Gottes Wesen sowohl unteilhabbar ist als auch irgendwie teilhabbar; sowohl haben wir die göttliche Natur mit inne als wir auch keineswegs ihre Mitinhaber sind. Beides müssen wir festhalten und der Frömmigkeit zur Norm setzen" [PG 150, 932 D].

Dies führt zur palamitischen Unterscheidung. Gregor sieht keinen anderen Ausweg: "Wenn das gottmachende Geschenk - die den Heiligen gegebene Vergottung, der Glanz, den sie empfangen, das Licht, kraft dessen sie wie die Sonne strahlen werden - göttliche Wesenheit und Hypostase ist, dann sind diese sämtlich Christus gleich und mit Gott identisch" [Antirretikos I,7,35; Syngr. III, 65]. Weil diese Folgerung einem Christen unerträglich ist, deshalb muß es in Gott beides geben: ein uns Zugängliches - die Energien - und ein keinem Geschöpf Mitteilbares - das Wesen. [Der Vergottungsglaube reicht über die griechischen Väter weit in fremde Vergangenheit zurück; Hans Urs von Balthasar würdigt bei Maximos, "daß er in die chalcedonische Christologie das ganze asiatische Vergottungspathos miteingehen läßt: auf der höheren Stufe des biblischen Geheimnisses, der personalen Synthese des Gottmenschen, statt auf der niederen Stufe der naturhaften Auflösung und Verschmelzung" (Kosmische Liturgie, Einsiedeln 1961, 39).]

Was aber ist in den westkirchlichen Katechismen und theologischen Systemen aus dem christlichen Vergottungspathos geworden? Leider trifft das harte orthodoxe Urteil zu: "Genau genommen gibt es nicht so etwas wie Vergottung in dem realistischen Sinn, wie die Väter und Palamas ihn ausgedrückt haben" [G. Barrois, Palamism Revisited, in: St. Vladimir's Theol. Quarterly 19 (1975) 229]. Ich erinnere mich gut, mit welch zaghafter Faszination ich als Student dieser Wahrheit begegnete, angestoßen von einem advaita-begeisterten Mitbruder indischer Herkunft. Warum sei Europa christlich geworden und nicht Indien? Seine Antwort: Das Dumme der Welt hat Gott erwählt, um die Klugen zu beschämen ...

Bezeichnend ist, was deutschsprachige Christen aus ihren Enzyklopädien erfahren. Im RGG fehlt das Stichwort "Vergottung" ganz, im LThK wird (X, 705 f) ein dünner Absud von Vergöttlichung geboten, der wahrhaftig "mit Vergottung nichts gemein hat". [Die Fortsetzung wurde von der Redaktion gestrichen:] Um den behaupteten "Gegensatz zwischen Vergottung und Vergöttlichung" zu belegen, wird das Wort "theiosis" eingeführt, welches "infolge indifferenten Gebrauches der griechischen Wörter" in der Patristik soviel wie Gnade bedeute. Allerdings lassen die Väter das Jota weg! Bis hin zu Palamas im Titel der dritten Triade ("Über die Theosis") sagen sie ausdrücklich nicht Vergöttlichung, sondern Vergottung. Man lache mich aus oder nicht, aber ich sehe in diesem dazugeschwindelten Jota die exakte pneumatologische Parallele zum christologischen "homo(i)ousios". Leider lesen wir schon 1949 bei G. Wunderle: "Dafür kommt nicht selten der Ausdruck 'Vergöttlichung' (theiosis) vor, den wir im Deutschen unklar genug oft mit 'Vergottung' gleichsetzen." (Zur Psychologie des hesychastischen Gebets, Würzburg 1949, 47 )

Auch Christos Yannaras meint über die katholische Theologie: "Die Vergottung des Menschen, seine Teilhabe am göttlichen Leben, ist unmöglich." Mit feiner Bosheit stellt er Pius XII. neben Gregor von Nyssa. Der Papst warnt 1943: "Verwerfen muß man jegliche Weise dieser mystischen Verbindung, bei der die Gläubigen irgendwie die Ordnung der geschaffenen Dinge so überschreiten und ins Göttliche eindringen, daß auch nur ein Attribut der ewigen Gottheit über sie als ihr eigenes ausgesagt werden kann." Der Kirchenvater aber weiß: "Der Mensch entkommt seiner eigenen Natur, wird ein Unsterblicher aus dem Sterblichen, der er ist, aus einem, auf dessen Kopf ein Preis gesetzt ist, zu einem Unschätzbaren und aus einer zeitlichen Kreatur zu einer ewigen: er ist Mensch und wird ganz Gott. Denn wenn das, was Gott von Natur ist, sein Eigentum, durch Gnade dem Menschen gegeben wird, was anderes als eine gewisse Ehrengleichheit wird dann - kraft der Beziehung - ausgesagt?" [The Distinction between Essence and Energies and its Importance for Theology, in: St. Vladimir's Theol. Quarterly 19 (1975) 242; Mystici Corporis (Denzinger 2290); Über die Seligkeiten 7 (PG 44, 1280 CD)]

Sind die schroff verbietenden Sätze des Papstes nicht geradezu eine Provokation zum Atheismus? Im Westen hat Aristoteles gesiegt und Palamas mit seiner Warnung auf fatale Weise recht bekommen: "Wenn du das zwischen dem Unteilhabbaren und den Teilhabenden wegnimmst - o Leere! -, dann trennst du uns von Gott, nimmst das Verbindende weg und reißt eine große und, unüberschaubare Kluft zwischen Gott und dem Werden und Walten der Gewordenen auf" [Triaden III, 2,24,687].

Aus einer uns ungewohnten Perspektive weist Yannaras hin auf "das Drama des Mittelalters im Westen, seine Mitte die Entheiligung der Welt durch die thomistische Theologie, die tragische Opposition seitens einer Menge mystischer 'Untergrund'-Häresien, die hoffnungslos in der geschaffenen Welt irgendwie Heiligkeit wiederzufinden suchten, der strenge und zusammenhängende Prozeß, der vom Thomismus zu Descartes führte und von Descartes zur derzeitigen technologischen Vergewaltigung der natürlichen und geschichtlichen Wirklichkeit" [The Distinction, a. a. O. 244].

Es scheint an der Zeit, daß die katholische Kirche sich dieser Kritik stellt - nicht um die vielgepriesene Sachgerechtigkeit des hl. Thomas nachträglich zu verdammen, wohl aber um die Sachen neu im göttlichen Lebenslicht zu sehen statt bloß in ihrer toten Funktionalität.

Evangelischer Vorwurf.- Dreifaltigkeit wird entfunktionalisiert

Zwischen lateinischen Verfechtern der göttlichen Einfachheit und palamitischen Partisanen unserer wirklichen Vergottung schwirren seit Jahrhunderten die Argumente hin und her - scheinbar aussichtslos, denn Neues gibt es schon lange nicht mehr. Hängen etwa beide Seiten in einem gemeinsamen Grundirrtum fest? Eine evangelische Theologin hat in dieses alte Dunkel jetzt Licht gebracht. Zwar sagt Dorothea Wendebourg, sie leiste zu jener Debatte keinen Beitrag [Geist oder Energie, München 1980, 10], was aber wäre zur Lösung eines Problems wichtiger, als endlich die rechte Frage zu tun? Sie heißt: Wie verhält Gregors Unterscheidung zwischen Wesen und Energien sich zu den trinitarischen Relationen?

Das Dreifaltigkeitsgeheimnis in seiner ewigen Wahrheit (immanente Trinität) ist uns nur durch die Heils-Geschichte (ökonomische Trinität) bekannt. In Jesu menschlichem Bewußtsein und dem Weiterwirken seines Geistes in der Kirche wurde Gottes ewiges Geheimnis in die Dimension der Zeit übersetzt. Aber Gregor Palamas - so meint Wendebourg - lasse in der Dimension der Zeit nur Gottes "Energien", nicht aber sein inneres "Wesen" offenkundig werden.

[Die Palamas-Forscherin kommt "zum Ergebnis, daß für ihn der Sitz des ökonomischen Engagements Gottes in Gott die Energien sind, während für die Hypostasen Vater, Sohn und Geist die überökonomische Abgeschlossenheit in sich und prinzipielle, unaufhebbare Verborgenheit des göttlichen Wesens gilt: daß damit wie im allgemeinen von einer Prägung der Ökonomie durch Gottes trinitarisches Sein, so im speziellen von einem eigentümlichen Bezug der Heiligung auf den Geist nicht die Rede sein kann" (65).] Ausführlich zeigt Wendebourg sodann, daß Palamas mit dieser Konzeption kein Neuerer war; auch im vierten Jahrhundert findet sie sich bereits.

Warum dachte man so? Im Interesse der Freiheit Gottes: "Gott ist seinem eigentlichen, innersten Sein nach immer und unveränderlich ohne Beziehung zum Nichtgöttlichen, auch wenn er nach außen tritt" (249). Dagegen schreibt Wendebourg, Gottes Freiheit sei "Kennzeichen einer Person". "Die Freiheit einer Person aber äußert sich darin, daß die Bindungen, die sie eingeht, Ergebnis ihres eigenen Willens sind, nicht darin, daß sie sich aus ihnen immer zugleich auch heraushält. Darum kann hier gesagt werden, daß Gott ohne Vorbehalt, d.h. in den Hypostasen seinem wesensmäßigen Sein nach, in der Ökonomie gegenwärtig und erkennbar sei - daß dies so ist, sei gerade Ausdruck seiner freien Entscheidung" (250). Aus der Lehre von Palamas hingegen "folgt, daß Gott, auch wo er sich dem Nichtgöttlichen zuwendet, gleichzeitig immer unbeteiligt über seiner eigenen Zuwendung steht, und das seinem primären Sein, dem in sich bestehenden Wesen nach" (42).

[Das ist ein recht vernichtendes Urteil über einen großen Heiligen der Ostkirche. Die beiden ausführlichen Besprechungen, die zu Wendebourgs Buch erschienen sind, bemängeln auch auf unterschiedliche Weise das wenig ökumenische Ergebnis. Fairy von Lilienfeld "meint nicht, daß dies eine geglückte Interpretation des Palamas und ein verwendbarer Beitrag im ökumenischen Gespräch sei". Denn "das Buch bringt wirklich zu wenig Sympathie für den anderen, den östlichen' Gesprächspartner auf" (in: Kirche im Osten 25 (1982) 205, 199). - Umgekehrt schließt Christoph von Schönborn an seine lobende Wiedergabe von Wendebourgs These einige Hinweise an; sie "sollen deutlich machen, daß der in dieser Arbeit aufgewiesene Funktionsverlust nicht auf den Osten beschränkt geblieben ist... Daß die Trinitätstheologie in der lateinischen Tradition einen recht erschreckenden Funktionsverlust erlebt hat, zeigt nicht nur Kants berühmtes Wort: 'Aus der Dreieinigkeitslehre, nach dem Buchstaben genommen, läßt sich schlechterdings nichts fürs Praktische machen'" (Immanente und ökonomische Trinität, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 27 (1980) 255 f).

Das gleiche folgt allerdings auch aus der thomistischen Auffassung, daß es "in Gott keine wirkliche Beziehung seiner zu den Geschöpfen" gibt, so daß Christus (weil göttliche Person) kein wirkliches Verhältnis zu seiner Mutter hat [S.Th. I q 13 a 7; Quodl. 1 q 2 a 1]! Läßt die Ehrfurcht, die zu solch extremen Formulierungen führt, sich bewahren, ohne daß wir ihr feudal gefärbtes Gottesbild weiter mitschleppen müssen?

Aller Erfahrung einzelner Christen ist die Grunderfahrung im Christentum vorgeordnet: jene, aus der das Dogma erwachsen ist. Die ersten Jünger erleben, wie Jesus betet. Nichts natürlicher als das, und doch wird damals das Bewußtsein der Menschheit derart erschüttert, daß es nie mehr ganz zur Ruhe kommen wird. Jesus, in dem Gott selbst anwesend ist, betet zu Gott als einem andern! Also ist der eine Gott in sich selbst zugleich zwei! Und doch ist es der eine Gott. Eins und zwei sind also, auf das Absolute angewandt, keine Widersprüche!

Dieser Erfahrung entstammt alles Denken christlicher Theologie; sie ist eben deshalb nicht bloß rational, sondern so etwas wie ein überlogischer "common sense", in dessen Rahmen alle Christen zueinander finden können, auch die Anhänger und Gegner der palamitischen Lehre.

Das unabgeschlossene Trinitätsdogma

Auf erregende, ja beglückende Weise spüre ich die Selbigkeit der Kirche durch die Zeiten hin. Bis ein Jahrtausend vor Palamas müssen wir zurück, einen seinerzeit zwar entschiedenen, aber nie befriedeten Glaubenskampf gilt es neu aufzurollen und umfassender zu lösen, als es damals möglich war - nur so läßt der dargestellte heutige Konflikt um Palamas sich bewältigen. Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag.

Der Weg zur nur immanenten Trinität

"Der Beitrag des Basilius zum Abschluß des trinitarischen Dogmas", untertitelte Hermann Dörries sein Buch "De Spiritu Sancto" [Göttingen 1956. Die gleichnamige Schrift von Basilius wird nach ihren Kapiteln (c) zitiert.]. Das Thema ist die Auseinandersetzung des hl. Kirchenlehrers Basilius (+ 379) mit den sog. "Pneumatomachen" (Geistbekämpfern) um die gleichrangige Göttlichkeit des Heiligen Geistes. Ihnen kam es absurd vor, das innergöttliche Liebesband als jemanden Dritten auch noch neben Vater und Sohn zu stellen. Allzu (?) konservativ, wollten sie das "Ehre sei dem Vater" nur in der gebräuchlichen Form beten: "durch den Sohn im Hl. Geist", nicht aber - wie Basilius es tat - auch auf die neue Weise: "samt dem Sohn mit dem Hl. Geist" (c.1). Denn "im Hl. Geist sollen wir Gott den Lobpreis darbringen, nicht aber auch dem Hl. Geist" (c.25).

Einer ihrer Gründe war: "In uns ist der Geist als Gabe von Gott; die Gabe wird doch nicht mit gleicher Ehre gefeiert wie der Geber" (c.24). Basilius schrieb nun gegen solche, die den Geist ein Geschöpf zu nennen wagten; der Palamit Markos von Ephesus (er hatte 1439 als einziger griechischer Bischof das Unionskonzil von Florenz nicht unterzeichnet) fühlte sich wahrscheinlich genau auf dieser Linie, als er gegen die "geschaffene Gnade" der Lateiner wetterte: "Eine geschaffene Gottheit also und ein geschaffenes Gotteslicht und einen geschaffenen Hl. Geist verehren diese schlechten Geschöpfe" [Patrologia Orientalis XVII, 457].

Aber auch die Lateiner durften sich in der Nachfolge des gemeinsamen Vaters Basilius fühlen. In der Konzilssitzung vom 14. März 1439 kam es zu folgendem Dialog zwischen Markos und Johann von Montenero: "Johannes: Ich frage dich, ehrwürdiger Vater: Dieser vom Sohn gespendete Geist, ist Er Schöpfer oder Geschöpf? Zweierlei nämlich gibt es im All, Schöpfer und Geschöpf, und der Hl. Geist ist Schöpfer; Seine Energien aber sind Geschöpfe ... - Der Ephesiner aber schwieg" [Nach den griechischen Akten 345 f.]. - Wie herausfinden aus diesem Begriffsgestrüpp?

Beide Seiten, Griechen wie Lateiner, wollten 1439 den Hl. Geist als göttlich verehren. War es ein Jahrtausend zuvor auch so? Werden die Pneumatomachen zu Unrecht geschmäht? Kämpften sie nur gegen eine (in ihren Augen) falsche Sicht des Hl. Geistes, die ihm zwar seinen göttlichen Rang voll zusprach, zugleich aber seine Besonderheit wegnahm, ihn buchstäblich mehr und mehr "entfunktionalisierte", bis zum heutigen Bewußtsein, "daß der Heilige Geist auch im Volke trotz aller Bemühungen der 'unbekannte Gott' geblieben ist?" [Josef Zimmermann, Trinität, Schöpfung, Übernatur, Regensburg 1949, 38]

Von sich aus nannten die Pneumatomachen den Hl. Geist keineswegs ein Geschöpf: "Weder Knecht noch Herr, sondern Freier" (c.20), war ihre Meinung. Den fatalen Schluß zieht vielmehr die Partei des Basilius: Bei allem Forschen und Sinnen können wir nichts ausdenken, was zwischen Schöpfer und Geschöpf wäre. Nach Dörries (179) ist dies ein Axiom des Basilius. Wenn wir den Geist von der Gottheit trennten, müßten wir ihn notwendig zur Kreatur zählen (172). In seiner 15. Predigt stellt Basilius dieses Axiom seinen Hörern vor Augen (Zusammenfassung von Dörries): "Läßt du also den Leib mit seinen Sinnen, Erde, Meer und Luft unter dir, durchwanderst Sterne und den Himmel, mit der Vernunft die jenseitigen Schönheiten erblickend, die Chöre der Engel und Erzengel, die Heere der Herrschaften und Gewalten und überschreitest das alles, so denke jenseits all dessen die göttliche Natur: unwandelbar, leidenschaftslos, einfach, unzugängliches Licht, ersehnte Güte, unfaßbare Schönheit. Dort sind Vater, Sohn und Hl. Geist." (97 f)

Gott hoch über der Welt: Das ist die Sicht von neubekehrten Heiden, die zuerst einmal ihre Aufmerksamkeit losreißen müssen von dem brausenden Betrieb des Diesseits, das einen wie etwas Göttliches immer wieder in seinen Wirbel zurücksaugt. Weil jeder von uns Tag um Tag auch ein solcher Heide ist, deshalb sollen wir uns jeden Tag des weltüberlegenen Gottes erinnern, des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes.

Gewiß eine biblische Vorstellung, aber einseitig. Und heute, soll das Christentum wieder zu Kräften kommen, unbedingt durch die Gegenwahrheit zu ergänzen. Denn drei göttliche Personen ganz weit da droben - was gehen sie uns hier unten an? Um wieviel packender ist doch die Sicht der Urchristenheit: "In Ihm (dem Sohn) ist alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Majestäten, Herrschaften und Mächte. Alles ist durch Ihn und auf Ihn hin geschaffen." (Kol 1,16)

Damit es uns nicht wie Sartre ergehe ("augenblicklich machte der Allmächtige sich in den Azur davon und verschwand ohne irgendeine Erklärung" [Die Wörter, Gütersloh o.J., 229]), müssen wir der Sicht des Bekehrten also (immer neu) den Blick des überzeugten Christen folgen lassen, dem alles genau umgekehrt erscheint: Nicht ist der Logos beim Vater hoch über der Welt, sondern - im Gegenteil - die ganze Welt befindet sich im Logos und hat teil an dessen Gegenüber, seiner Andersheit zum Vater.

Wie sieht aber dann die Wirklichkeit aus? Etwa so: Unsere Welt voller Glanz und Schmerz, die Galaxien mit ihren Sonnen, die Erde mit Meeren, Wäldern, Städten, mit Jubel und Jammer ihrer zahllosen Lebewesen, dieses ganze so bunte Universum ist letztlich nicht stumpf, finster, sinnlos, sondern leuchtet geheimnisvoll im Sinnlicht des göttlichen Logos, der es durchwaltet. Wem leuchtet er? DIR dem Ewigen, dem Ur-Anfang, "zu dem hin" (Joh 1,1) der Logos ist, ähnlich wie ich dich anstrahle, du mein Lieb. Und dieser unendliche Gegensatz von Ich und Du wird zugleich im ebenfalls unendlich brausenden Wir überbrückt und vereint; die gesehöpfliche Buntheit als Schmuck des ewigen Logos steht Gott nicht nur gegenüber, sondern ist zugleich mit ihm innigst vereint, d.h. vergottet: eben im Hl. Geist; denn "Wir" ist dessen eigentlichster Name [Heribert Mühlen, Der Heilige Geist als Person, Münster 1963].

Folgendermaßen beschreibt Hans Urs von Balthasar diese intensive Trinitätswahrheit der Christen vor Konstantin: "Früher, bei Origenes, in der vornicäischen Theologie überhaupt, da die Emanationen der göttlichen Personen zugleich als Öffnung und Herabstieg Gottes zur Welt gedacht wurden - der Sohn als Ideenwelt und potentielle Vielheit, der Geist als 'Gnade' und Weltvollender -, schienen innerhalb der Welt die großen Seinsbereiche 'Dasein', 'Leben und Vernunft', 'Heiligkeit' als ein unmittelbar anschaulicher Abglanz der höchsten Dreiheit deutbar zu sein. Mit Nicäa, das die Einheit Gottes und Gleichrangigkeit der Personen aufstellte, war dieser Weg weit schwieriger gangbar ... Was hier geschah, war die Emporhebung auch von Sohn und Geist auf die Ebene der überwesentlichen Einfachheit des väterlichen Urwesens: es öffnet einen Augenblick lang sein Tor, um beide einzulassen, und dieses schließt sich über dem Unerforschlichen." (Kosmische Liturgie, 91 f)

Seit nach 325 zahllose Mitläufer zur Kirche drängten, mußte diese ihre schönste Perle vor den Säuen hüten. Zu nahe lag das Mißverständnis: Die Welt gehört, Gott gegenüber, auf die Seite des Logos - also ist Christus auch bloß ein Geschöpf. Der Hl. Geist vermittelt zwischen Gott und dem vielbunten Welt-Logos - also ist das Pneuma nicht selbst Gott, sondern ein Zwischenwesen, eine irgendwie höhere Kreatur. Verständlich, daß die Kirche damals so viel Wert auf die Gleichrangigkeit der drei Personen legen mußte. Ein Christus, der selber bloß Geschöpf ist, könnte uns nicht erlösen; ein Hl. Geist, der nicht selbst Gott wäre, könnte uns nicht vergotten. Diese Klärung war damals "dran" - es hieße den mühsam robbenden Menschengeist überfordern, hätte er zugleich die vornicäische Akzentuierung beibehalten sollen.

Sogar im Lebenswerk von Basilius selbst findet sich dieser Ideen-. schub [H. Dörries, a.a.O. 68]. Im Frühwerk "Gegen Eunomios" bemerkt er zum Bibeltext Ijob 33,4 ("Der Geist Gottes hat mich geschaffen, des Allmächtigen Odem hat mich belebt"), die Stelle beziehe sich nicht auf die Schöpfung des Menschen, sondern auf seine Tugendvollendung. In der späteren Hauptschrift "Über den Hl. Geist" hingegen wird das Wirken des Geistes auf das ganze Schöpfungs- und Erlösungswerk ausgedehnt. Zwar geht die frühere Einsicht nicht verloren, doch ist die entscheidende Umschaltung geschehen. In der Theologie vor Nikaia wurden die Personen von ihren ökonomischen Funktionen her verstanden (als Urprinzip, Weltgrund und Vergottungskraft), so sehr, daß ihr gleicher göttlicher Rang unklar blieb - wohl vom Glauben festgehalten, nicht aber im Denkentwurf verdeutlicht. Dieses Verhältnis kehrt sich mit Nikaia um. Seither werden die Personen der Trinität zuallererst als gleich göttlich verstanden, und den so aufgefaßten Personen werden zusätzlich noch bestimmte Attribute zugesprochen, die sich auf die Heilsökonomie beziehen: In aller Schöpfung kann man "die uranfängliche Ursache, die weltformende und die vollendende" (c. 16) unterscheiden: Vater, Sohn und Hl. Geist.

Ein Jahrtausend nach Basilius drückt Gregor Palamas sich ebenso aus. In seinem Glaubensbekenntnis preist er den Vater als "einzige uranfängliche Ursache der Gewordenen", den Sohn als "Ursache und Prinzip aller Gewordenen, insofern sie alle durch ihn geworden sind", den Hl. Geist endlich als "Ursache auch er aller Gewordenen, insofern sie in ihm vollendet werden" [PG 151, 765f.].

Nochmals: Diese Umkehrung der Perspektive war damals notwendig; Vorwürfe haben wir keine zu verteilen. Auch heute sollen wir zur älteren Einseitigkeit nicht zurück. In allen Kirchen wird wohl Karl Rahners These zugestimmt: "Die ökonomische Trinität ist die immanente und umgekehrt" [Mysterium Salutis II, Einsiedeln 1967, 328]. Wie läßt sie sich so verdeutlichen, daß weder (wie vor Nikaia) die immanente Trinität von der nur ökonomisch gedachten verdunkelt wird noch aber (wie seither) die heilsbedeutsame Trinität im dreifach-einen Mysterium heilsunbedeutsam verschwindet?

Das klärende Geheimnis, die Perichorese

Die alte, Ost und West gemeinsame Glaubenswahrheit gehört vom Rand des christlichen Denkens in sein Zentrum gerückt: die "Perichorese". "Als Fachausdruck im strengen Sinn begegnet uns das Wort Perichorese zum erstenmal bei Johannes von Damaskus, und zwar zunächst in trinitarischer Verwendung" [M. Schmaus, in: LThK VIII, 275]. Gemeint ist die innige gegenseitige Durchdringung der Personen, das Insein von jeder in jeder. "Der Vater ist ganz im Sohn, ganz im Hl. Geist; der Sohn ist ganz im Vater, ganz im Hl. Geist; der Hl. Geist ist ganz im Vater, ganz im Sohn" [Fulgentius von Ruspe (+ 532), PL 65, 674; ins Jakobiten-Dekret (Denzinger 704) aufgenommen]. Üblicherweise wird dieses Bekenntnis im Sinn einer sozusagen "innerhimmlischen Durchdringung" aufgefaßt, die uns auf Erden nicht betrifft. Es läßt sich jedoch auch zum Prinzip eines umfassenden Verständnisses machen. Wie jede Weitung eingeschliffener Kategorien dürfte der folgende Gedankengang manchem Leser zunächst fremd, ja unheimlich vorkommen; wer die Anstrengung des Begriffs nicht scheut, dem winkt aber Lohn: die korrekte, dogmatisch einwandfreie Fassung jenes befeuernden frühen Weltbildes, welches die Urchristen noch in der Todesarena singen ließ.

"Der Vater ist ganz im Sohn; der Sohn ist ganz im Vater." Wollen wir beide Sätze und auch ihren Unterschied ernstnehmen, dann muß unser Verstand das dreieinige Beziehungsgefüge auf zweierlei Weisen auffassen: einmal (im Sinn der immanenten Trinität) als Gegensatz von Personen (der Vater, der Sohn); das andere Mal (ökonomisch) als Gegensatz sozusagen göttlicher Dimensionen, in denen die Personen sein können (im Vater). So zu denken liegt deshalb nahe, weil die ökonomische Trinität immer schon räumlich symbolisiert wird, weit eher transzendente Dimensionen auseinanderlegt als Personen gegenüberstellt: Dem Vater als weltüberlegenem Uranfang gehört der Himmel über allen Himmeln zu, dem Sohn der Reichtum der Schöpfung, dargestellt in der Erde, deren Herzstück er als Jesus Christus geworden ist und bleibt - während drittens die heilig brausende "Ruach" (hebräisch: Wind, Geist) zwischen Himmel und Erde weht und beide vereint: Schon bei der Schöpfung schwebt sie über den Wassern, bei der Menschwerdung bringt sie den Himmel auf die Erde, im ewigen Leben will sie unsere irdischen Leiber zu geistlich-himmlischen machen.

Die lateinische Scholastik spricht von Appropriation, also von einer eher äußerlich verstandenen Zuweisung des Schöpfungswerkes an den Vater, der Erlösung an den Sohn und der einenden Heiligkeit an den Heiligen Geist. Unser Systemvorschlag kann in folgender Weise anschaulich gemacht werden:

       Personen

Dimensionen 

Vater

Heiliger Geist

Logos

Himmel

DU, Gott

EINS, Liebe, WIR

ICH, der SINN

Beider
Vereinigung

Ewiges Leben

SIE in uns
Gnade

Christus
unser ICH

Erde

Schöpfer

DEIN Denken -
unser Sein

Endliches
Geschöpf

Die sogenannte "immanente Trinität" (Vater - Geist - Logos) ist in ihrer gegenseitigen Durchdringung (Perichorese) auch dort gegenwärtig, wo Gott sich "äußert", als "ökonomische Trinität" zeigt.

Ja, nicht verstiegene Begriffskunst ist das christliche Dreieinigkeitsbekenntnis, sondern Ausdruck unseres Glaubens an das wunderbare Heil: im Vater beten wir den Urbeginn vor allem Sein an; beim Blick auf Jesus verstehen wir, daß Gott sich eine Schöpfung gegenüberstellen kann, weil er schon in sich selbst ewige Begegnung ist; im Liebesgeist, dem göttlichen "Wir", erhoffen wir unser aller Neuschöpfung, ja "Vergottung" auf ewig.

"Er kam in sein Eigenes" (Joh 1,11) - wie strahlend neu klingt plötzlich dieser Satz! "Gottes Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen durch den uns gegebenen Heiligen Geist." (Röm 5,5) - Widerspricht aber die Identifizierung der Schöpfungswelt mit dem Eigenbereich des Logos nicht dem Credo? Wenn die geschöpfliche Natur das Eigenste des Logos ist, wieso ist er dann "gezeugt, nicht geschaffen"? Nun, geschaffen ist, was auch nicht sein könnte. Unser ganzes Universum ist nicht notwendig. Jene Person aber, als die Jesus zum Vater gebetet hat, sie ist notwendig. Es könnte nicht sein, daß sie nicht wäre. Freilich könnte sie an anderer Stelle des Alls auftreten oder in einem anderen All oder auch ohne jedes Universum, nur in Gott selbst. Wozu braucht Gottes Sohn etwas aktuell Eigenes? "Kind, du bist doch allzeit bei mir, und all das Meinige ist dein" (Lk 15,31). Daß Gott seinen Sohn auch als den anderen will, der auf Eigenes aus ist, bis dahin, daß er ihn sogar mit und für uns verloren gehen läßt, ihn "für uns zur Sünde macht" (2 Kor 5,21), das geschieht "aus allerfreiestem Ratschluß, um seine Vollkommenheit kundzutun" (D 1783). Weil es aber geschieht, deshalb sollen wir es auch anerkennen und nicht aus rationalem Hochmut den Sohn in sein Schloß verbannen, obwohl er eigentlich zu uns gehört.

Die palamatische Wahrheit

Wendebourg hat recht, daß die palamatische Unterscheidung von Wesen und Energie dann entbehrlich ist, wenn die ökonomische Trinität gebührend ernst genommen wird. Doch ihr Vorwurf, Palamas habe die Trinität "entfunktionalisiert", ist ungerecht. Seit einem Jahrtausend war damals die Heilsfunktion der Trinität zugunsten der Gleichrangigkeit beinahe ganz verblaßt. Tatsächlich handelte es sich um eine kraftvolle Refunktionalisierung, wenngleich nicht mit trinitarischen Begriffen.

Unaufgebbare Glaubenswahrheiten führen uns die Palamiten neu vor Augen:

a) Gottes Schöpferwille ist eine der von seinem Wesen unterschiedenen, aber göttlichen Energien: "Bei Gott ist das eine unbegreiflich, das andere begreifbar, und doch ist er ein Gott, unbegreiflich dem Wesen nach, begreifbar von den Geschöpfen her, gemäß seinen göttlichen Energien: nämlich offenkundig nach seinem ewigen (uns betreffenden) Willen" [Cap. phys. 81, PG 150, 1180]. Diese Energie ist das Insein des Vaters im Logos, also durch eine echte Gegenseitigkeitsrelation vom Vater in sich selbst unterschieden.

b) Auch das Sein der Seienden ist Gott [2. Brief an Barlaam 32 (Syngr. 1, 278); vgl. Tr III, 2, 23, 685]. Das Sein ist ein ewiges Werk Gottes (Tr III, 2,7,655), denn "es muß etwas geben zwischen dem unteilhabbaren Wesen und den Teilhabenden, wodurch diese an Gott teilhaben" (Tr III, 2,24,687). Dieses Zwischen ist das Sein der Dinge, ihr Gewolltsein, das mit Gottes Wollen identisch ist. Dieses unser bergendes Medium ist die heilige göttliche Liebe, nicht insofern sie gleichrangig mit Gott, d.h. im Vater ist, sondern insofern sie im Logos ist. Somit hat Palamas recht, wenn er das Sein eine von Gottes Wesen unterschiedene göttliche Energie nennt [Zum Thema"Pneuma als Urschoß" vgl. meinen Aufsatz Der Heilige Geist als Mutter, in: Christ in der Gegenwart 32 (1980) 173 f].

c) Über die Gnade als göttliche Energie lesen wir bei G. Richter: "Große Bedeutung hat für Palamas der Bericht von der Ausgießung des Geistes, weshalb er immer wieder darauf zurückgreift. Zunächst wird ihm der Geistempfang nur mit der Unterscheidung von Natur und Energie des Geistes verständlich. Wir können ja nicht die Hypostase des Geistes empfangen, sondern erhalten seine Energie, seine Gnade mitgeteilt. Außerdem legt Palamas großen Wert auf die Ausdrucksweise, die auf Joel 3,1 zurückgeht: die Gnade des Geistes ist nicht gegeben, geschenkt, gesandt, sondern ausgegossen. Die Bedeutung der Unterscheidung liegt darin, daß das Gegebene ein vom Geber Unterschiedenes ist. Ausgießen zeigt aber an, daß die Energie, die Gnade, die beim Geist ist, ausströmt und sich so dem Empfänger selbst mitteilt, so daß der Gebende selbst die Gabe ist. Die ausgegossene Gnade ist Heiliger Geist seiner Energie nach. Nicht nur Christus, seine Jünger und das Volk damals haben diesen Geist und Gnade empfangen, sondern auch wir" [Gnade als Topos der Theologie des Gregorios Palamas, in: Unser ganzes Leben Christus unserm Gott überantworten. Festschrift für Fairy von Lilienfeld, Göttingen 1982, 250].

In der vorgeschlagenen Sicht ist Gnade-Sein das Eigentlichste des Hl. Geistes und zugleich die Mitte der ganzen trinitarischen Struktur. Gott ist Liebe. Der Hl. Geist als göttliche Hypostase ist hingegen das Insein des Pneuma im Vater. Auch hier wird die Unterscheidung von Wesen und Energie durch den eigentlich gemeinten streng notionalen Relationsgegensatz zugleich gerechtfertigt und überflüssig.

Wenn wir die Verklärung, ja Vergottung des Seins, die strahlende Synthese von Himmel und Erde, als die ureigene Wirklichkeit des Hl. Geistes anerkennen, ist der nie geschlichtete Geisteskampf des vierten Jahrhunderts wirklich ausgestanden. Basilius mußte für die volle Göttlichkeit des Pneuma eintreten; denn wäre es nicht selbst Gott, könnte es uns nicht vergotten. Andererseits wird klar, warum die Gegenpartei nicht den Hl. Geist preisen, sondern allein in ihm Gott preisen wollte. Tatsächlich kann das Milieu unserer Vergottung erst in theoretischer Metasprache zum Objekt (der Erkenntnis) werden; beim existentiellen Vollzug hat auch Jesus "im Hl. Geist gejubelt" (Lk 10,21).

d) Das uns verheißene ewige Leben ist das Insein des Vaters im Pneuma, des unobjektivierbaren ewigen Subjekts in der Dimension der Vergottung. Auch es ist eine göttliche Energie, vom Vater in sich selbst unterschieden. Denn in seinem eigenen Wesen schaut Gott durch eben dieses sich selbst, in unserer Ewigkeit aber dürfen wir, die vergotteten Kreaturen, das Medium der göttlichen Selbstschau sein. In einem seiner (für mich) funkelndsten Texte schreibt Gregor: "Den Geschöpfen ist Gott unsichtbar, sich selbst aber nicht; dann jedoch wird, nicht allein durch unsere Seele, sondern auch - o Wunder! - durch unseren Leib Gott der Schauende sein. Deshalb werden wir dann auch durch leibliche Organe das göttliche und unzugängliche Licht sehen; und dieses künftigen hehren Gottesgeschenkes Unterpfand und Vorspiel hat Christus auf dem Tabor unsagbar den Aposteln gezeigt" (Tr 1, 3,37,191).

Die Frage, ob die Heiligen Gottes Wesen schauen oder nicht, ist bis heute ein Streitpunkt zwischen orthodoxer und katholischer Kirche [Vgl. J.Kuhlmann, Die Schau der Unschaubaren, in: Una Sancta 36 (1981) 346-349]. Das eben gebrachte Zitat zeigt, daß dies bloß ein Mißverständnis ist. Radikaler denn als Gottes eigene Selbstschau in uns haben auch die kühnsten Lateiner unser ewiges Leben nicht aufgefaßt.

[Mithin enthüllt der Begriff "Gottes Wesen" sich als erschreckend vieldeutig. Entweder bezieht man ihn - mit Palamas - nur auf die immanente Trinität, also den Vater in sich sowie das Insein von Logos und Pneuma in ihm, und ehrt die (nicht minder göttlichen!) Dimensionen von Logos und Pneuma als Energien. Oder aber man bezeichnet, im weitesten Sinn, als Gottes Wesen die gesamte absolute Struktur mit ihren Momenten. Dann gehört sogar (ganz unpantheistisch) das Gute der Geschöpfe noch dazu. Weil Wendebourg den Begriff so faßt, betont sie (vermeintlich gegen Palamas), "ohne Vorbehalt" sei Gott "seinem wesensmäßigen Sein nach in der Ökonomie gegenwärtig und erkennbar" (250). Oder endlich schreibt man Gottes Wesen dem Vater zu, sei es, daß die anderen Personen in ihm sind, sei es, daß er in ihnen ist. In diesem Sinn verheißt das katholische Dogma den Seligen die Schau des göttlichen Wesens. In jeder dieser Sprachen lassen wichtige Einsichten sich gut ausdrücken - und doch, welch ein babylonischer Wirrwarr! Von "Gottes Wesen" grundsätzlich nicht mehr zu reden entspräche der Demut und dem zweiten Gebot.]

Auch die Gegner des palamitischen Denkens haben also recht: Werden die trinitarischen Kategorien angemessen verwendet, nämlich ineinander im immanenten und im ökonomischen Sinn, dann ist die palamitische Unterscheidung unnötig. In Gott ist alles eins, wo nicht der Relationsgegensatz entgegensteht.

Ausblick

Der Nachdruck, den Gregor Palamas (mit dem Begriff "göttliche Energie") auf die ökonomische Trinität legt, sollte von der westlichen Theologie nicht weiterhin abgelehnt werden. Denn ihre Aufgabe ist es, den Glauben der Kirche sagbar zu halten. Einer religionslos fühlenden Welt aber kann die Botschaft von einer nur immanenten Trinität weder zum Ärgernis noch zum Heil werden. Ob irgendwo in einem feudalen "Himmel" eine oder zwei oder drei göttliche Personen leben, das ist ähnlich belanglos wie der Urlaubsstil von Prinzessin Diana in der Südsee. Mit unserem wirklichen Leben in der weltlichen Welt hat ein so gedachter Transzendenzbereich nichts zu tun.

Mono-Konzentration auf die immanente Trinität war einst nötig, damit die weltliche Welt in all ihrer Eigenständigkeit und kühlen Profanität uns, gegen alle Vermischungstendenzen, unausweichlich eingeprägt werde. Wenn Vater, Sohn und Hl. Geist miteinander im Himmel vorgestellt sind, dann bleibt der Erde kein göttliches Fluidum, sie ist endlich, nichts weiter. Die Jahrhunderte der Säkularisierung und, schließlich die Spielarten des modernen Atheismus haben mit dieser Einsicht ernstgemacht. Auch wir Christen dürfen hinter sie nicht zurück.

Denn der Logos ist nicht nur selbst Gott, er ist auch "zu Gott" (Joh 1,1), auf Gott hingeordnet als das innerste Prinzip der Vielheitswelt; sie ist sein "Eigenes", in das er bei der Menschwerdung kommt. Um dem alten, weltvergötternden Heidentum zu entkommen, mußte die Christenheit mittels der Lehre von der immanenten Trinität im Himmel die Welt zuerst entgöttern; nur so ist der Unterschied zwischen dem Eigenen des Logos und dem Vater uns klar geworden. Aber hat nicht diese "trinitarische Antithese" jetzt gleichsam ausgedient? Ist heute nicht die Notwendigkeit eine andere geworden? Müssen wir nicht heute die Welt wieder von neuem in ihrem Sein-in-Gott verstehen? Wäre jetzt nicht endlich ein Zeitalter des Heiligen Geistes dran, das die westlichen Zeit- und Denkgenossen des Gregor Palamas, die Spiritualen in der Nachfolge Joachims von Fiore, in allzu veräußerlichter Weise ausriefen? Müssen wir nicht in dieser Geschichtsstunde neu und vertieft an den Heiligen Geist glauben, an die Wir-Einheit von Ich und Du in Gott und in Gottes All? Dank ihrer ist jedes gute Geschöpf, eben in seiner weltlichen Eigenständigkeit, dennoch nicht bloß die losgelassene Wirkung des fremden Schöpfers, sondern selbst eine göttliche Energie. Weil der Hl. Geist das All erfüllt, deshalb gibt es keine "bloße Materie"; nicht klappernde Klötzchen sind das gültigste Paradigma, sondern die lebendigen Organe deines Leibes. Wie dein Daumen, dein Ohr und dein Fuß eigenständige Organe sind und trotzdem in allen du lebst, so auch im großen und im ganzen. Bist du etwa der Rivale deines kleinen Fingers? So, wie es in dir keinen drohenden elften Finger gibt, so steht über uns Menschen kein bannender Super-Jemand Nr. x+1. Der Atheist Sartre hat recht - und doch ist die Welt keine Leiche, denn jeder ihrer bunten Logos-Splitter ist im Pneuma ähnlich eins mit Gott wie deine Glieder mit dir. Schau Van Goghs blühenden Pfirsichbaum an, und du verstehst.

[Weil ich der Begegnung mit Gregor Palamas entscheidende Anstöße verdanke, darf ich hier auf Schriften hinweisen, in denen seine Impulse weiterwirken. Wie Palamas den christlich-atheistischen Dialog befruchten kann, erläutere ich in "Gott Du unser Ich" (Düsseldorf 1977) auf S. 77. "Wider die Arroganz der Apparate" (Nürnberg 1984) zeigt die Lebenswichtigkeit spiritueller Neubesinnung, wollen wir nicht an übermächtigen Mechanismen zugrundegehen. Ein geistliches Portrait von Gregorios findet sich im Sammelband "Große Mystiker", hrsg. von G. Ruhbach und L Sudbrack (Verlag C. H. Beck, München 1984), S.142-155.]

Statt mit eigenen Worten, schließe ich lieber mit jenen - im logosfixierten Westen unerhörten - Sätzen des hl. Pneumamystikers Gregor Palamas, denen ich meinen geistlichen Paradigmenwechsel von der bewirkten Materie zum belebten Organismus verdanke:

"Wie die Seele gemäß dem großen Dionysius 'einförmiglich all die Kräfte in sich hat, die für den Leib sorgen', wie also die Seele trotz ausgerissener Augen oder ertaubter Ohren dennoch in sich selbst die leibfürsorglichen Kräfte hat, so hatte auch Gott schon vor dem Bestand der Welt die weltfürsorglichen Kräfte; und wie die Seele nicht schlechthin die fürsorglichen Kräfte ist, sondern die Kräfte hat, so eben auch Gott; und wie die Seele eine, einfach und unzusammengesetzt ist - keineswegs ob der Kräfte in ihr vermannigfacht oder zusammengesetzt -, so geht auch Gott, der nicht bloß vielvermögend, sondern allmächtig ist, wegen der Kräfte in Ihm nicht aus dem Einiglichen und der Einfachheit heraus" (Tr III, 2,22,681).

[Veröffentlicht in "Geist und Leben" 57/1984, 352-369]


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