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Gott will uns bunt

 

    Jürgen Kuhlmann

    Gott will uns bunt

    Anlaß: Pfingstzeit
    Botschaft: Pfingstbericht: Gegenbild zum Turmbau von Babel -
    göttliche Einheit achtet die Besonderheit - in sich ist jeder eine Vielheit -
    Gleichnis der Glasfenster - pfingstliche Einheit der Gruppe -
    Gleichnis des Orchesters - neue Pfingststrophe
    Ziel: Der Hörer erkennt, wie sehr sein Alltag auf den Pfingstgeist angewiesen ist.

     

    Pfingsten ist das Fest der Einheit. Der heilige Lukas, der den Pfingstbericht geschrieben hat, soll nach der Legende selbst Maler gewesen sein; tatsächlich malt er ein Gegenbild zu der alten Geschichte vom Turmbau zu Babel. Damals wollten die Menschen einen Turm errichten, um weit über die Ebene hin ihre Einheit zu demonstrieren; jeder sollte wissen, wo genau (auf den Turm bezogen) er sich befand. Solche Anmaßung des einen Punktes gegen alle anderen gefiel Gott nicht: Er "fuhr hernieder" und verwirrte die Sprache der Menschen, daß keiner den anderen verstand. Der Turm wurde nicht fertig.

    Es ist Ihnen klar, daß dies ein symbolischer Bericht ist. Er will sagen: Die Menschen schaffen es nicht aus eigener Kraft, eins zu sein. Eine Einheit, die man machen will, geht immer in die Brüche. Denn jeder Macher hat ja nur eine begrenzte Perspektive; will er die anderen aufzwingen, so geht das nicht lange gut. Die Älteren unter uns haben den Sturz des Naziturmes erlebt, wir alle riechen noch den Staub der neuesten Ruinen. - Gegen diese alte Geschichte setzt Lukas seinen Pfingstbericht. Hier kommt es zur Einheit, doch eben nicht von unten, auf die Art irdischer Macher, die das Viele gewaltsam in ihre eine Form pressen. Sondern von oben steigt das göttliche Feuer herab: "Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten": das ist wesentlich. Jeder bekommt seine eigene Zunge. Die Einheit, die von Gott kommt, zerstört nicht die Besonderheit der einzelnen und doch sind alles Zungen von einem Feuer.

    Schon in sich selbst darf jeder von uns ein pfingstlicher Mensch sein. Laut Chesterton ist der heutige Mensch wie eine Stadt, und zwar eine Stadt im Bürgerkrieg. In jedem von uns gibt es so viele Tendenzen, die einander widerstreiten, im Extremfall kommt es zur Schizophrenie. Aber ein bißchen angeknackst ist fast jeder. Denn um uns her gibt es so viele Trends und Strömungen, alle stürmen auf uns ein, jede überzeugt uns ein bißchen. Und in uns selber wirken die verschiedensten Erbeinflüsse, nicht immer hat sich das Blut gut durchgemischt, oft bleiben die "Einflüsse" getrennt, wie wenn zwei Flüsse ineinanderfließen und noch lange sieht man, welches Wasser von welchem kommt. Jeder von uns ist vieles.

    Da dürfen wir nicht versuchen, auf die Babelweise Einheit zu schaffen. Falsch und schlimm wäre es, wollten wir um irgendeines "Ideals" willen etwas von uns abwürgen, töten. Das führt nur zur Verdrängung: Was nicht geduldet wird, flieht aus der Wohnung in den Keller, versteckt sich dort und eines Tages, wenn die anderen schlafen, kommt es aus dem Keller heraus und wütet. Freilich dürfen nicht alle, die du bist, sich ungehemmt ausleben. Wenn dir bei einer Dienstbesprechung der Kragen platzt und der Chef vernimmt, was du schon lange von ihm denkst, dann freut sich zwar für den Moment eine der gottgeschaffenen Personen, die du sind - aber auf die Dauer leiden deine Kinder. Rede also dem Wütenden gut zu, schick ihn aber nicht in den Keller der Unbewußtheit, sondern halt die Spannung aus zwischen dem, was du mit Recht fühlst, und dem, was du sagen kannst. Mit solchen und anderen Spannungen zu leben, dabei weder zu explodieren noch im Kurzschluß zu zerschmoren: diese Kraft schenkt uns der Heilige Geist. Denn Er ist ja in Gott selbst die unendliche WIR-Spannung von Vater und Sohn!

    Stellen Sie sich vor, wir hätten hier in unserer Kirche bunte Glasfenster. Dann könnte die Babel-Einheit jemanden dazu verleiten, daß er in der Dimension der Farbe ein Einerlei herstellen will. Er würde also auf eine Leiter steigen und mit einem Pinsel alles rot streichen, weil er diese Einheitsfarbe liebt. Zuletzt sagt er zufrieden: Jetzt habe ich ein schönes, reines Bild. Dagegen würden Liebhaber anderer Farben sich dann wehren: Tags darauf steigt ein anderer hinauf und streicht alles grün. So hätte der Krieg kein Ende.

    Nein, auf der Ebene der Farbe sollen wir das Viele dulden und die Einheit allein in der Dimension des Lichtes suchen. Denn wenn durch unser Fenster die Sonne scheint, läßt dasselbe eine Licht jegliche Farbe auf ihre besondere Weise erstrahlen. Die Sonne bedeutet den Heiligen Geist, der jedes Wesen es selber sein läßt. An manchen modernen Leuchtfenstern sieht man das sehr schön: Da ist scheinbar keinerlei Ordnung und Sinn zu erkennen und doch ist das Ganze, sobald die Sonne durchbricht, wunderschön, obwohl die bloßen Farben nichts als ein Durcheinander sind. So bewirkt des Heiligen Geistes Einheit eine übergeordnete Harmonie, die nicht durch Unterdrückung von Gegensätzen zustandekommt, sondern indem Gottes Licht alle Farbkontraste versöhnt.

    Wie dies schon beim Einzelnen gilt, so erst recht bei einem Paar, einer Familie, einer Gruppe von Kollegen. Das Prinzip ist dasselbe. Auch hier darf die Vielheit nicht verarmt werden, indem etwa einer den Ton angibt und alle anderen müssen sich ihm anpassen. Dazu ein Gleichnis aus dem Reich der Töne; überhaupt sollen wir an den Gleichnissen nicht kleben bleiben, sondern in allen Bildern und Vergleichen dieselbe Denkstruktur zu erkennen versuchen, die gleiche Einsicht herausfiltern.

    Wir lieben alle den Klangreichtum eines Orchesters. Wünscht ein Geiger, es möchten auch Flöte und Trompete wie seine Geige klingen? Nein; eben der Gegensatz der Klangfarben verstärkt die Schönheit der Musik. Deshalb sollte man auch in einer Gruppe nicht sagen, was oft zu hören ist: Wir kommen miteinander aus, obwohl wir so verschieden sind. Wer so spricht, hängt ohne es zu wissen noch dem Babel-Ideal der spannungslosen Einheit an, wäre im Grunde selbst gern der Herr des maßgeblichen, dort aufragenden Turms, wo X- und Y-Achse sich schneiden. Des Heiligen Geistes Geometrie ist anders, in ihr trägt jedes Glied einer Gemeinschaft sein besonderes Koordinatensystem zur Fülle des Ganzen bei. Pfingstlich gesprochen, muß es somit heißen: Wir mögen einander, weil wir so verschieden sind. Was ist gegensätzlicher als Mann und Frau? Und trotzdem - nein: gerade deshalb will die Natur und ihr Schöpfer, daß nicht anders als aus solcher Spannungseinheit immer wieder neu der Mensch entsteht.

    Zum Schluß wollen wir uns denselben Freimut trauen, der die Apostel an Pfingsten mit ihrer Neuen Botschaft zu den Menschen trieb und in allen Jahrhunderten seither Neue Lieder geschaffen hat. Singen wir miteinander das altehrwürdige Pfingstlied aus dem deutschen Mittelalter und fügen wir ihm eine vierte Strophe an: Nun bitten wir den Heiligen Geist um die rechte Liebe allermeist, daß wir uns erfreuen an lichten Farben, fröhlich miternten allen Korns Garben. Kyrieleis.

    Februar 1990 [verkürzt aus dem gesprochenen Text von 1972]

    Volle Internet-Adresse dieser Seite: http://home.t-online.de/home/j.e.kuhlmann/wcrp/buntpred/buntpred.htm

     

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