Jürgen Kuhlmann

Jocki und der Innenseher
Eine Abenteuergeschichte
für das Kind
im Mann und in der Frau


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Theologischer Anhang

I. Die trinitarischen Sinndimensionen

Die traditionellen Namen der göttlichen Personen stammen aus der Blütezeit der patriarchalischen Kultur, welche Frau und Kind nicht in deren eigener Würde sah, vielmehr vom Mann und Vater her bestimmte. Jene alte Denkweise anzuklagen kommt uns nicht zu; sie war notwendig, um das Menschheitsbewußtsein dem Sog des undifferenzierten Großen Einerlei zu entreißen. In ihm konnte es so wenig bleiben wie das Baby im Mutterschoß. Ebensowenig dürfen wir aber auf die Dauer unmündige Untertanen bleiben. Nach zwei Jahrtausenden hat der christliche Sauerteig anscheinend sein Werk getan, uns zur deutlichen Erkenntnis sowohl der Gleichberechtigung der Geschlechter als auch der unabgeleiteten Würde einer jeden Person geführt. Deshalb schlage ich vor, die Namen der göttlichen Personen nicht länger patriarchalisch, sondern wahrhaft christlich zu verstehen: als Gott, Göttin und Selbst.

Am unbedingten Ja zum SELBST hat jedes erlöste Ich Anteil ("Das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zur Quelle werden, die sprudelt ins ewige Leben," verheißt Christus [Joh 4,14]. Eine Quelle ist wesentlich selbst-ursprünglich, verdankt sich keinem Fremden, der irgendwelche Wasserhähne öffnet oder schließt!) - Du, GOTT, bist der verbindliche Sinn des Ganzen; auf Dich muß sich beziehen, wer nicht zum sinnlosen Atömchen werden will. - Die Geborgenheit im Eins der GÖTTIN Liebe schließlich (deren Kind Christus ist [Kol 1,13 wörtlich] und jedes erlöste Geschöpf in Ihm) ist unser erster Ursprung und letztes Ziel.

Im strengen Sinn wahr ist allein die volle trinitarische Polarität EINS/DU/ICH. Sobald einer ihrer Pole sich isoliert, d.h. die anderen leugnet, wird aus Göttlichem Teuflisches:

Das sich isolierende Ich wird zu Luzifer, dem bösen Egoisten, der nur sein eigenes Programm kennt, keinen umfassenderen Sinnrahmen und keines Gegenübers Anspruch gelten läßt; im Leib symbolisiert den Ich-Teufel der Krebs, der nach eigenem Gutdünken solange wuchert, bis mit dem Ganzen auch er selbst vernichtet ist.

Das sich isolierende Du wird zum tyrannischen Satan (wörtlich: Ankläger!), zum bösen "Gott" der Gottvergifteten, die an ekklesiogenem Verfolgungswahn leiden, zum absoluten Vampir, der seinen Opfern das Blut des freien Selbst aussaugt, bis sie sich als willenlose Schergen zu den schlimmsten Untaten im Namen "höherer Werte" hergeben, gegen sich und andere. Im Leib symbolisiert diesen Du-Teufel z.B. die Magersucht: Ein rücksichtsloses Ideal tyrannisiert im Namen des Ganzen die armen Einzelorgane so lange, bis die durch Fasten, Fressen und Kotzen sich selbst und das satansbesessene Ganze vernichten.

Das sich isolierende Eins wird zur Teufelshexe des Einerlei, der verschlingenden Großen Mutter Kali und verführerischen Tannhäuser-Venus; sie läßt weder individuelle Besonderheiten gelten noch bestimmte Gebote Gottes: alles ist eh' egal, bleib du in meiner Wonne vorindividuell oder lös dich wieder in sie auf, nur das ist dein Lebenssinn. Sind nicht viele, die sich für tüchtige Selbstverwirklicher halten, mit all ihrem Sex- und anderem Konsum mehr dieser lauen Hexe verfallen als dem hochmütigen Luzifer? Im Leib wird die Eins-Hexe von der Schlafsucht symbolisiert: Statt den bestimmten Willen des Ganzen zu tun und individuell aktiv zu sein, begnügen die Glieder sich mit der Geborgenheit im Ganzen, alles andere ist ihnen egal.

Im extremen Stadium sind alle drei Krankheiten des Leibes tödlich. Ähnlich bringt jede der drei teuflischen "Mono-Schaltungen" den von ihr besessenen Menschen innerlich ums Leben, stehe er äußerlich noch so gut da. Heil ist allein in der Teilhabe am dreieinigen Stereo-Leben GOTT-GÖTTIN-SELBST. Allerdings gilt es zwischen Ausdruck und Vollzug zu unterscheiden. Nicht jeder Pol muß ausdrücklich bewußt sein. Ein Atheist mag gute Gründe für seine Gottesleugnung haben; wenn er aber, zum Egoismus versucht, trotzdem seinem Gewissen folgt, dann lebt er den DU-Pol, obwohl er Gottes Existenz ausdrücklich ablehnt. Umgekehrt sind gewisse Fromme nur für sich rein auf Gott bezogen; an sich aber (und für die anderen) können sie dabei durchaus ichkräftig sein, sogar - im Namen Gottes - unerträglich egoistisch. Kyrie eleison!

II. Farbsymbolik

Eine so auffallende Erscheinung wie die Farben hat stets dazu gedient, geistige Bedeutungen voneinander abzuheben und sinnlich erlebbar werden zu lassen. Schon im alten Ägypten gab es eine Farbsymbolik, auch heute kennt jede Kultur eine solche. In Europa ist Schwarz, in Ostasien Weiß die Trauerfarbe. Nur beispielhaft bringe ich einen Auszug aus dem (katholischen) Lexikon für Theologie und Kirche (Band IV, 23 f.) von 1960: "Die ritterlich-höfische Kultur der französischen Troubadours des 12. Jahrhunderts schuf eine Farbsymbolik des Liebeslebens, die im 14. Jh. im deutschen Rittertum blühte und dann im Volkslied und seiner Symbolsprache noch Jahrhunderte weiterlebte (Rot war die Farbe der Liebe, Blau der Treue, Grün bedeutete Liebesanfang, Gelb Liebeserfüllung, Schwarz Trauer). Diese Symbolik galt auch bei Edelsteinen und Wappen (seit 15. Jh.) ... (In der Liturgie) ist je nach Fest und Anlaß eine besondere Farbe vorgeschrieben ... Rot = Hl. Geist und Martyrium, Weiß = Reinheit, Freude, Glanz, Schwarz = Trauer, Violett = Buße ... Durch kulturgeschichtlich andere Symbolik erwächst dem Verständnis der liturgischen Farben in den Missionen manches Hemmnis; darum wünschte man eine weniger starre Festlegung ..." Ein anderes Sinngefüge bilden die politischen Farben Rot, Schwarz, Grün usw.

Es gibt also nicht so etwas wie die richtige Farbsymbolik. Jede hat ihr gewachsenes Recht. Nur diesen Anspruch, keinen anderen, erhebt der im Jocki-Buch gemachte Versuch. Allerdings liegt ihm eine (nur für Christen nicht) erstaunliche Entsprechung zwischen Optik und Trinitätsdogma zugrunde Anerkanntermaßen gibt es die drei reinen Grundfarben Blau, Gelb und Rot. Jede wird von ihrer Komplementär- oder Gegenfarbe so ergänzt, daß jeweils beide zusammen das ganze Spektrum enthalten Rot fordert (sagt Goethe) Grün (= Gelb + Blau); Gelb fordert Violett (= Blau + Rot); Blau fordert Orange (= Gelb + Rot).

Diese Farben lassen sich in einem Sechseck so anordnen, daß reine Farbe und Gegenfarbe sich gegenüberstehen, während jede Komplementärfarbe zwischen ihren beiden Bestandteilen vermittelt. Im Kreis herum ergibt sich diese Reihenfolge: Rot - Orange - Gelb - Grün - Blau - Violett - Rot. Bis auf den letzten Schritt ist dies genau das Farbenband im Spektrum des Sonnenlichtes. Allerdings liegen Rot und Violett (die im Farbenkreis und auch für unser Empfinden doch nebeneinander gehören) im Spektrum am weitesten auseinander (deshalb: Infrarot und Ultraviolett). Warum?

Ich glaube, hier wird uns ein Blick in die geheime Werkstatt des Schöpferischen Prinzips gewährt. Gott (oder Göttin, oder Unser Selbst) stand vor der Aufgabe, den in sich zurücklaufenden dreieinigen Sinn-Kreis der wirklichen Farben (die von uns wahrgenommen und vorgestellt werden) mit ihrem physikalischen "Woran" (würde Karl Rahner sagen) zu koordinieren, d.h. mit jener geraden Koordinatenachse, auf der die Wellenlängen der Lichtstrahlen aufgetragen sind: der Kreis mußte mithin an irgendeiner Stelle zerschnitten und zu einer Geraden gestreckt werden. "Und so geschah es" (Gen 1,7), tatsächlich zwischen Rot und Blaurot, es hätte aber - scheint mir - auch an jeder anderen Stelle des Spektrums geschehen können, vielleicht ist ja anderswo im Kosmos die Beziehung zwischen Wellenlänge und empfundener Farbe völlig anders als bei den Menschen auf Terra von Sol.

Wegen dieser Zusammenhänge ist bei Familie Weiß jedem der dreieinigen Grundgefühle eine Farbe zugeordnet: dem Eins das Blau, dem Du das Gelb und dem Ich das Rot. Die Entsprechungen sind keinesfalls zufällig; denn alles Leben entstammt dem blauen Meer, während der blaue Himmel über uns die Einheit der offenen Weite bedeutet, man vergleiche die packende altchinesische Geschichte vom Finger-Zen, wie Hermann Hesse sie nacherzählt:

"Meister Djü-Dschi war, wie man uns berichtet,
Von stiller, sanfter Art und so bescheiden,
Daß er auf Wort und Lehre ganz verzichtet,
Denn Wort ist Schein, und jeden Schein zu meiden
War er gewissenhaft bedacht.
Wo manche Schüler, Mönche und Novizen
Vom Sinn der Welt, vom höchsten Gut
In edler Rede und in Geistesblitzen
Gern sich ergingen, hielt er schweigend Wacht,
Vor jedem Überschwange auf der Hut.
Und wenn sie ihm mit ihren Fragen kamen,
Den eitlen wie den ernsten, nach dem Sinn
Der alten Schriften, nach dem Buddha-Namen,
Nach der Erleuchtung, nach der Welt Beginn
Und Untergang, verblieb er schweigend,
Nur leise mit dem Finger aufwärts zeigend.
Und dieses Fingers stumm-beredtes Zeigen
Ward immer inniger und mahnender: es sprach,
Es lehrte, lobte, strafte, wies so eigen
Ins Herz der Welt und Wahrheit, daß hernach
So mancher Jünger dieses Fingers sachte
Hebungen verstand, erbebte und erwachte."

Auch Gelb als Farbe der patriarchalischen Religion ist urbildlich begründet: Wenn ein Kind die Sonne malen will, wird sie gelb. Schon in einem der allerältesten Bücher, im Gilgamesch-Epos, tritt der Sonnengott Schamasch als männlicher Sinn für das Gute auf, der den Helden aus der allzu harmonischen Urgeborgenheit der Mutterwelt herausreißt: (Gilgameschs Mutter)

"erklomm den Söller,
Erstieg das Dach, brachte Weihrauch dar vor Schamasch,
Sie vollzog das Opfer, vor Schamasch hob sie die Arme empor:
Warum verliehst du zum Sohn mir Gilgamesch,
Erteiltest du ihm ein Herz ohne Ruh'?
Und nun hast du ihn angerührt, daß er hinzieht
Einen fernen Pfad, wo Chumbaba ist (ein Wald-Ungeheuer),
Er will einen Kampf bestehn, den er nicht kennt,
Einen Weg befahren, den er nicht kennt!
Über die Zeit, daß er geht und rückkehrt,
Daß er gelangt zum Zedernwald,
Daß er erschlägt den Recken Chumbaba,
Und jegliches Böse, das dir verhaßt ist, tilgt aus dem Lande."

Somit bleibt zum Bedeuten des selbstbewußten Ich das Rot übrig; als Farbe des Blutes und der Freiheitskämpfe paßt es dazu aufs beste.

Die Sinnmöglichkeiten der drei Gegenfarben Grün, Orange und Violett sind im Jocki-Buch noch nicht ausgewertet. Ich ahne zwar, wie das zu machen wäre (sie entsprechen ja - trinitätssystematisch gesprochen - den Communia, während die reinen Farben für die Personen stehen), muß dieses Vorhaben jedoch aufschieben. Der Gegensatz knallrot / hellrot entspricht (beim ICH) der Spannung kosmisch / mystisch (s. "Friedliche Spannung", S. 34 f).

Wonach entscheidet sich die Frage, welche Farbe jeweils "dran" ist? Auch dieses Problem bleibt für Jocki offen, er erlebt nur einen nicht hinterfragten Familienritus. Antwortvorschläge finden sich im Buch "Ehrfurcht vor fremder Wahrheit".

Ich wünsche jedem Leser den Segen der "vielbunten Weisheit Gottes" (Eph 3,10).


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